Flames 'n' Roses
den Kopf wieder sinken. Vielleicht lag ich ja im Sterben. Vielleicht hatte es mich nicht gleich umgebracht, all die Seelen zu befreien, aber es war trotzdem nicht genug übrig, um noch lange durchzuhalten.
Oder vielleicht sollte ich einfach mal aufs Knöpfchen drücken und eine Krankenschwester fragen. Das Schlimmste, was passieren konnte, war doch, dass sie mein Zimmer mit Betäubungspistolen stürmten, weil sie mittlerweile rausgefunden hatten, dass ich alles andere als eine normale Patientin war. Ich zögerte. Das wäre allerdings ziemlich schlimm. Lieber hielt ich erst mal ein Nickerchen. Dann wäre ich wenigstens einigermaßen ausgeruht für das Verhör oder was sie sonst mit mir vorhatten.
Ich sank in einen seltsamen, erschöpften Schlaf. Mittendrin dachte ich, ich würde hören, wie sich die Tür öffnete, aber ich brachte einfach nicht genügend Energie auf, um die Augen zu öffnen oder mich zu bewegen. Jemand stellte etwas auf den Tisch neben mir und setzte sich dann auf die Bettkante. Eine Hand strich mir sanft das Haar aus dem Gesicht und dann drückte ein Paar Lippen einen behutsamen Kuss auf meine Stirn. Die Matratze federte zurück und ich hörte, wie sich vorsichtige Schritte entfernten, gefolgt von einem leisen – glücklichen – Seufzer.
»Raquel?«, murmelte ich und bekam endlich die Augen auf. Doch das Zimmer war leer. Enttäuschung machte sich in mir breit. Ich war mir so sicher gewesen, dass sie es war. Ich hatte mir gewünscht, dass sie es war.
Eine Vase mit einer wahren Explosion bunter exotischer Blumen stand auf dem Tisch neben meinem Bett. Daran hing ein kleines Kärtchen. Meine Finger zitterten, als ich es aufklappte.
»Ich wünsche dir alles Glück der Welt, mein Schatz. Du wirst mir mehr fehlen, als du dir vorstellen kannst. Deine Raquel.«
Mit klopfendem Herzen sah ich wieder zur Tür. Ich wollte mich von ihr verabschieden, auch wenn das alles noch schwerer machte, auch wenn ich wusste, dass Raquel die IBKP nicht verlassen und ich nie zurückgehen würde. Unsere Wege hatten sich endgültig getrennt. Plötzlich vermisste ich sie mehr als je zuvor.
Ich wischte eine Träne weg und fühlte mich auf einmal sehr allein in diesem blöden Krankenzimmer mit den lachsfarben gestrichenen Wänden und den abgenutzten Möbeln. Wo war Lend? Ich war mehr als enttäuscht. Wenn das hier Easton Heights wäre, dann hätte Lend die ganze Zeit an meinem Bett gesessen und sich jede Nacht in den Schlaf geweint, ohne meine Hand loszulassen. Dann hätte ich ihn jetzt sanft wecken können und wir hätten uns wie wild geküsst. Na gut, am Ende der Folge hätten wir wahrscheinlich auch schon wieder Schluss gemacht und diese Vorstellung gefiel mir entschieden weniger gut.
Mein Magen zog sich zu vielen kleinen ängstlichen Knötchen zusammen. Vielleicht wollte Lend einfach nicht hier sein. Immerhin hatte ich ihm beinahe die Seele ausgesaugt. Ich schloss die Augen, als die Erinnerung an das, was passiert war, in mir aufstieg. »Vivian«, flüsterte ich und hätte mich fast übergeben. Hatte ich sie umgebracht?
Neben mir räusperte sich jemand und ich fuhr erschrocken auf. »Raquel?«
»Nicht ganz.«
»Ach, du. Hau ab«, fauchte ich Reth an, der es sich in einem Sessel neben meinem Bett bequem gemacht hatte.
Er warf mir einen beleidigten Blick zu. »Ich bin überaus enttäuscht von dir, Evelyn. Nach all der Zeit, nach allem, was ich für dich getan habe. Wirklich sehr enttäuscht.«
Ich musste lachen. Tja, ich stand ziemlich neben mir – die Schmerzen und dann mein leerer Magen. Und außerdem hatte ich genug von Reth und seinem Blödsinn. »Autsch. Jetzt bin ich aber tief getroffen.«
»Nicht nur, dass du das, was ich dir an Seele geschenkt habe, unbedingt freilassen musstest, nein, du hast auch deine Prophezeiung nicht erfüllt. Obwohl ich so hart daran gearbeitet habe, dass du sie überhaupt noch miterlebst, wie ich hinzufügen möchte.«
»Tja, das ist dann wohl das Problem, wenn ihr eure blöden Prophezeiungen immer so vage und poetisch formulieren müsst. Ich habe sie nämlich ganz genau erfüllt – schließlich hab ich die Seelen befreit.«
Seine Augen blitzten vor Wut. »Du solltest doch nicht die befreien, du dummes Kind. Sondern mich. Uns.«
»Was soll das denn wieder heißen?«
»Das geht dich jetzt nichts mehr an!«
»’tschuldigung. Hättet ihr euch eben klarer ausdrücken müssen. Und jetzt würde ich gern weiterschlafen, wenn’s genehm ist.«
Er stand auf. »Ich bin noch nicht
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