Flammen des Himmels
rhetorisch, denn der Inquisitor spielte immer mit den schwarzen Figuren. Gerwardsborns Vorliebe für diese Farbe war extrem. So trug er auch hier im Zimmer dünne schwarze Handschuhe und statt des Baretts eine runde, schwarze Kappe. Selbst der Stein auf seinem Ring, in den ein kunstfertiger Steinschneider sein Siegel geschnitten hatte, war ein schwarzer Hämatit.
Lothar vermutete, dass Jacobus von Gerwardsborn wie ein Bote des Todes auftreten wollte – oder gar wie der Tod selbst. Zu diesem Erscheinungsbild passte sogar sein bleiches Gesicht. In gewissen Kreisen aber wurde er mit einem Beinamen belegt, der besser zu ihm passte. »Bluthund des Papstes« nannte man ihn. Rasch verscheuchte der junge Mann diese Gedanken und machte seinen ersten Zug.
Für einige Zeit wurde das Spiel zu einem Zweikampf zweier Geister, die beide erbittert um den Sieg rangen. Magnus Gardner, der den Spielern zusah, verfluchte seinen Sohn insgeheim. Auch wenn es unangenehm war, zu verlieren, musste Lothar doch wissen, wie weit er gehen durfte. Als er bereits glaubte, eingreifen zu müssen, machte der Junge den entscheidenden Fehler und war kurz darauf schachmatt.
»Du warst mir ein würdiger Gegner, Lothar. Beinahe dachte ich, du könntest mich besiegen«, lobte der Inquisitor seinen jungen Gegner.
Dieser verbeugte sich mit einer gezierten Geste. »Eure Exzellenz waren einfach zu gut für mich!«
In dem Augenblick klatschte Magnus Gardner seinem Sohn in Gedanken Beifall. Der Junge war nicht nur geschickt, sondern auch klug. Immerhin galt es, Jacobus von Gerwardsborn bei Laune zu halten, und das war eine Aufgabe, die er selbst seinem schlimmsten Feind nicht gewünscht hätte. Zwar konnte es dem Inquisitor gleichgültig sein, wie viele Ketzer er auf den Scheiterhaufen brachte oder bei geringeren Verfehlungen aus dem Land weisen ließ. Doch sein Herr, Fürstbischof Franz von Waldeck, verlor durch Gerwardsborns unheilvolles Wirken arbeitsame Untertanen und vor allem gute Steuerzahler. Den Inquisitor aufzuhalten wagte der Bischof jedoch nicht. Immerhin hatte Clemens VII. Jacobus von Gerwardsborn persönlich in dieses Land geschickt, um der lutherischen Ketzerei und der noch schlimmeren wiedertäuferischen Häresie ein Ende zu bereiten.
»Sind die beiden Bürgermeister bereits erschienen?«, fragte der Inquisitor ansatzlos.
»Wenn Eure Exzellenz erlauben, werde ich nachsehen!« Magnus Gardner verließ den Raum, als wäre er ein schlichter Lakai und nicht ein Mann, den Franz von Waldeck bevorzugt um Rat fragte. Draußen fand er lediglich einen Ratsherrn in einem pelzbesetzten Rock vor, der sich unwohl zu fühlen schien. Gardner kannte ihn von verschiedenen Aufenthalten des Mannes in Telgte und glaubte, ihm vertrauen zu können.
»Gott zum Gruß, Herr Sterken. Ich freue mich, Euch zu sehen, bedaure aber, dass die Bürgermeister und die anderen Ratsherren nicht erschienen sind, um dem Inquisitor ihre Reverenz zu erweisen.«
Sein Gegenüber blickte ihn mit unglücklicher Miene an. »Ihr wisst es vielleicht noch nicht, aber ich bin für dieses Jahr zum zweiten Bürgermeister der Stadt gewählt worden. Jetzt bin ich besorgt, ausgerechnet Seine Exzellenz Jacobus von Gerwardsborn hier begrüßen zu müssen. Dieser Besuch kommt, um es offen zu sagen, etwas ungelegen. Wäre er uns rechtzeitig angekündigt worden, hätten wir Vorbereitungen treffen können.«
Sterken gelang es, vorwurfsvoll zu klingen. Dabei war ihm anzumerken, dass ihn die Angst in ihren Klauen hielt. Erst vor ein paar Tagen hatte der Rat der Stadt beschlossen, einen lutherischen Prediger an die Pfarrkirche zu berufen und den Katholiken nur noch die Kapelle des Dominikanerklosters zu überlassen. Nun befürchtete er, dass dieser Beschluss, so geheim er auch gefasst worden war, auf ihm unbekannte Weise seinen Weg bis zum Bischof und sogar bis zu diesem Inquisitor gefunden hatte.
Gardner war klar, dass Thaddäus Sterken sich Sorgen machte. Schließlich gab es in dieser Gegend genug Bürger, die den Papst in Rom einen guten Mann sein ließen und sich der Lehre Martin Luthers zugewandt hatten. Als Fürstbischof von Münster wäre es die Aufgabe seines Herrn gewesen, dies zu verhindern. Schon deshalb musste er dafür Sorge tragen, dass Anhänger der Reformation Gerwardsborn nicht unnötig herausforderten und diesem dadurch die Möglichkeit gaben, sie verhaften, verurteilen und verbrennen zu lassen.
»Mein guter Sterken«, antwortete er, »ich rate Euch dringend, Stillenbeck Seiner
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