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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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kann.«
    Sterken begriff, dass der Inquisitor ihn und die Bewohner von Stillenbeck mit dem Angebot lockte, sich zum alten Glauben zu bekennen und so ohne Strafe davonzukommen. Fremde jedoch, die sich in den letzten Jahren in der Stadt angesiedelt hatten, waren auf jeden Fall verdächtig. Dies war doppelt fatal, weil sein erkorener Schwiegersohn aus einer Stadt stammte, die sich zur Gänze von der römischen Kirche gelöst und zum Luthertum bekannt hatte.
    »Verzeiht, Eure Exzellenz, doch ich kann mich auch für die meisten Neuankömmlinge verbürgen. Mein zukünftiger Eidam zum Beispiel musste sogar aus seiner Heimatstadt fliehen, weil er nicht der Häresie dieses abgefallenen sächsischen Mönches verfallen wollte.«
    Das war ebenfalls unwahr, denn der junge Mann dachte gar nicht daran, römisch-katholisch zu werden. Etwas Besseres war Sterken auf die Schnelle jedoch nicht eingefallen.
    »Und doch muss es in dieser Stadt Ketzer geben!« Der Inquisitor ließ nicht locker.
    »Ich wüsste niemanden, Euer Exzellenz«, presste Sterken hervor.
    Gerwardsborn sah ihn mit einem überlegenen Lächeln an. »Es ist immer gut, mit einem Ohr auf die Stimme des Volkes zu hören. Als ich in die Stadt einritt, bezeichnete eine junge Frau ein anderes Mädchen als Ketzerin, und zwar als eine der schlimmsten von allen. Ich meine damit die, die sich allen Sakramenten der heiligen Kirche verweigern und den Kindlein, die im Namen unseres Herrn Jesus Christus in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen worden sind, absprechen, dazuzugehören. Diese Elenden fordern, dass nur Erwachsene das Recht hätten, der Herde Gottes beizutreten!«
    »Ihr meint die Wiedertäufer, Eure Exzellenz? Bis jetzt habe ich nichts davon gehört, dass sich solch widerwärtiges Gesindel unter uns befinden soll«, rief Sterken aus.
    »Und doch muss es so sein! Oder glaubt Ihr, die junge Frau hätte sich diese Worte aus den Fingern gesogen?« Der Inquisitor spielte mit Sterken wie eine Katze mit der Maus. Da er zur Abschreckung der Mehrheit ein paar Ketzer benötigte, die er zum Feuertod verurteilen konnte, musste er die Spitzen der Stadt dazu zwingen, ihm die passenden Opfer auszuliefern.
    Sterken hatte von seiner Tochter und deren Bräutigam von der Ankunft des Inquisitors erfahren, und ihm war auch zu Ohren gekommen, dass Gerlind gegen Frauke gehetzt hatte. Für einen Augenblick ärgerte er sich darüber, denn Hinner Hinrichs war ein guter Handwerker, der für ihn die besten Gürtel anfertigte. Allerdings fragte er sich, ob nicht doch etwas an dem Gerücht dran war, Hinrichs’ Sippe könne zu den Wiedertäufern gehören. Immerhin war der Mann aus Straßburg zugezogen, und das war bis vor wenigen Jahren ein übler Hort der Ketzerei gewesen.
    »Eure Exzellenz, es mag vielleicht den einen oder anderen Ketzer in der Stadt geben. Auch vermag ich nicht in die Herzen der Menschen zu blicken, und wenn sie ihre widerwärtigen Rituale im Geheimen durchführen, bleibt dies unseren Augen verborgen. Aber ich bezweifle, dass Hinner Hinrichs ein Ketzer ist. Immerhin besucht er jeden Sonntag zusammen mit seinem Weib, seinen Söhnen und seinen Töchtern die heilige Messe.«
    »Dies kann auch aus Hohn und Heuchelei geschehen! Also Hinrichs heißt der Mann. Ich werde ihn mir ansehen.«
    Erst die Antwort des Inquisitors brachte Sterken zu Bewusstsein, dass er eben die ersten Bewohner seiner Stadt denunziert hatte. Da er jedoch nicht wusste, wie er Hinrichs nun noch helfen konnte, war er froh, als der andere Bürgermeister und fast alle Ratsmitglieder erschienen, um Gerwardsborn ihre Aufwartung zu machen. Die meisten von ihnen mussten Ehrfurcht heucheln, gaben sich dabei aber alle Mühe, um nicht selbst in den Verdacht der Ketzerei zu geraten. Dabei führte der Inquisitor nur ein paar bewaffnete Knechte mit sich sowie zwanzig Leute im Gefolge, von denen nicht jeder eine Waffe führen konnte. Es wäre den Stadtknechten und dem Bürgerfähnlein ein Leichtes gewesen, den Inquisitor zum Stadttor hinauszutreiben. Doch offener Aufruhr hätte den Bann des Kaisers nach sich gezogen und die Feindschaft der katholischen Stände im Reich. Das konnte sich ihre kleine Stadt nicht leisten.

3.
    O bwohl sich in den nächsten drei Tagen nichts Besonderes ereignete, zitterten die Einwohner von Stillenbeck vor Angst. Das lag nicht zuletzt an den wenigen Mönchen, die noch im Dominikanerkloster lebten, denn diese traten seit der Ankunft des Inquisitors wesentlich selbstbewusster auf. Seit die

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