Flammen über Arcadion
irgendetwas unternehmen. Mit immer größer werdender Unruhe wanderte Jonans Blick von der Zeitanzeige in seinem Helm hinüber zu dem guten Dutzend Soldaten, die vor ihm den Laderaum des Phantom -Hubschraubers ausfüllten. Er sah zu Enzo hinüber, der mit verkniffener Miene neben ihm hockte.
Im Grunde blieben ihnen nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie warteten, bis der Hubschrauber sein Einsatzziel erreicht hatte und die Soldaten ausgestiegen waren. Oder sie gingen hier und jetzt zum Angriff über. Im ersten Fall mochten sie so viel Zeit verlieren, dass es zu spät war, um Caryas Leben zu retten. Im zweiten kam es höchstwahrscheinlich zu einer Schießerei auf engstem Raum, bei der das Gefährt Schaden nehmen könnte. Abgesehen davon behagte Jonan der Gedanke überhaupt nicht, dreizehn Männer umzubringen, auch wenn sie der Feind waren und auf dem Weg, Mutanten zu töten, die Jonan mittlerweile zu seinen Freunden zählte. Oder zumindest zu geschätzten Verbündeten.
Sein Blick fiel auf den Elektroschockstab an seinem Gürtel, dann wanderte er hinauf zu dem Metallgestänge, an dem sich die Soldaten während des Fluges festhielten. Die Männer trugen keine Handschuhe. Er hatte keine Ahnung, ob es funktionieren würde – und wenn ja, wie gut – , aber er musste eingreifen und zwar jetzt.
Verstohlen tippte er Enzo an und deutete zuerst auf die Schockwaffe und anschließend auf die Gruppe vor ihnen im Laderaum. Der Invitro nickte und legte die Hand auf seine Pistole. Behutsam zog Jonan den Elektroschockstab hervor und stellte ihn auf maximale Stärke. Damit ließ sich sogar ein Pferd ausschalten.Aber er übertrieb es lieber ein wenig, als dass er die ganze Truppe vor sich durch ein sanftes Prickeln in den Fingern auf sich aufmerksam machte.
Er hob einen Daumen, um Enzo zu zeigen, dass er bereit war.Der erwiderte die Geste. Einmal mehr regelte Jonan seine Kraftverstärker hoch, um bei seinem Ausbruch nicht an den Kisten hängen zu bleiben. Dann sprang er auf und brach durch ihre Deckung wie ein riesiges Ungeheuer, das in den Albträumen eines Kindes aus dem Wandschrank hervorsprang. Der Elektroschockstab knisterte bösartig, als Jonan ihn gegen das Metallgestänge hielt.
Es gab einen Schlag, und die versammelten Soldaten zuckten wie ein Mann zusammen. Ihre Körper bebten unkontrolliert, während sich ihre Hände unwillentlich um die Haltestangen verkrampften. Im gleichen Moment knallte es weiter vorne im Cockpit, und ein Mann stieß einen Schrei aus.
Im nächsten Augenblick kippte die Welt zur Seite, als der Hubschrauber abschmierte und aus dem Himmel fiel.
Der Konvoi erreichte den Quirinalsplatz, und Carya sah zu ihrem Schrecken, dass er voller Menschen war. All diese Leute waren gekommen, um zuzusehen, wie ihre Eltern und sie gehängt wurden. Auf manchen Gesichtern erkannte sie Mitleid, auf den meisten lag nur die gierige Vorfreude auf das Spektakel. Was ist so schön daran, Menschen sterben zu sehen? , fragte Carya sich. Sie selbst hatte noch nie eine öffentliche Hinrichtung besucht. Aber vielleicht hätte ich es wenigstens einmal tun sollen. Dann wäre ich besser auf das vorbereitet, was jetzt kommen wird.
Die Kutsche hielt vor einer großen hölzernen Tribüne, die in der Mitte des Platzes errichtet worden war. An der rechten Seite hatte man eine Reihe prunkvoll verzierter Stühle aufgestellt, auf denen Aidalon und sein Gefolge Platz nehmen würden. Links davon ragte ein hölzernes Gerüst auf, von dem drei Galgenstricke herabhingen. Schemel mit drei Stufen standen darunter.
Bei dem Anblick fing Caryas Herz an, wie wild zu klopfen. Dort vorne wartete der Tod auf sie. Es gab keine Ausflüchte und kein Entkommen mehr. Ihr Blick fiel auf die Handfesseln, die sie trug. Es handelte sich um Metallketten mit stabilen Gliedern, die um ihre Handgelenke in Manschetten endeten. Ihre Fußfesseln sahen genauso aus. Sie würde sie weder zerreißen noch das Schloss knacken können. Und selbst wenn es ihr gelungen wäre, war sie immer noch von Soldaten umstellt, darunter zwei Gardisten in Kampfpanzerung.
Das Spiel ist aus , erkannte sie. Ich habe zu lange gewartet. Sie hatte einen schrecklichen Fehler begangen, als sie darauf gehofft hatte, ihr würde noch genug Zeit bleiben, um eine günstige Gelegenheit zur Flucht abzuwarten. Das einzig Richtige wäre gewesen, noch am ersten Tag den Ausbruch zu versuchen, als lediglich zwei Uniformierte sie bewacht hatten. Vielleicht wäre der Versuch fehlgeschlagen. Er hätte aber
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