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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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niemanden, der ihn einfach deshalb vermissen würde, weil er ihm nahe gestanden hatte.
    Pitt hatte ihn beinahe gemocht. Ein kluger Mensch, der ihn bisweilen zum Lachen gebracht hatte, voller Leben, fähig, seine Leidenschaften, seine Wissbegier und seine Bedürfnisse zu artikulieren. Sein Tod hinterließ eine gewisse Leere.
    »Dummkopf«, sagte Pitt laut. »Das wäre nicht nötig gewesen. Sie hätten … eine ganze Reihe von Möglichkeiten gehabt, etwas ganz anderes zu werden.« Er sah auf die Leiche hinab. »Was zum Teufel haben Sie mit dem Beweismaterial angefangen … wenn Sie es je hatten?«
    Ob es sich lohnte, danach zu suchen? Würde nicht auch Wetron daran gedacht und alles getan haben, was er konnte, um es zu fälschen oder beiseite zu schaffen? Sicherlich hatte er nur solche Dinge an Ort und Stelle gelassen, die Voisey belasten konnten.
    Das Bewusstsein der Niederlage bedrückte Pitt. Zugleich empfand er Wut und Trauer. Er hatte lange gegen Voisey gekämpft und dabei schwere Niederlagen erlitten. Dennoch hätte er nicht gewünscht, dass er so endete. Was hatte Voisey gewollt? Überrascht ging ihm auf: dass Pitt sich geändert hätte. Eine absurde Vorstellung, denn dazu wäre es wohl nie gekommen. Aus diesem Grund war er wütend auf ihn, so, wie er wütend auf Wetron war und auf sich selbst, weil er nicht scharfsinnig genug gewesen war, ihm zuvorzukommen.
    Es klopfte an der Tür. Wahrscheinlich wollte man die Leiche abholen. Er konnte die Leute nicht warten lassen. Man würde
über den Vorfall nicht weiter sprechen. Wetron hatte so viel von der Wahrheit preisgegeben, wie sich beweisen ließ, und so gab es für Pitt keinen Grund, die Leiche für weitere Ermittlungen zurückzubehalten.
    »Herein«, sagte er.

    Eine Stunde später verließ er das Parlamentsgebäude. Tellman war bereits mit Wetron aufgebrochen; ihm war nichts anderes übrig geblieben: Wetron als sein Vorgesetzter hatte ihm den dienstlichen Befehl dazu erteilt. Es war ein weiterer Hinweis auf seine und Pitts Niederlage. Pitt hatte nicht gewagt, Wetron daran zu hindern, weil ihm klar war, dass Tellman die Zeche dafür hätte zahlen müssen. So gut es ging, hatte er Voiseys Büro durchsucht, dabei aber nichts gefunden, was ihm hätte nützen können. Eine Reihe verschlossener Schubladen wollte man ihm nicht öffnen, da sie angeblich geheime Regierungsakten enthielten. Nur gut, dass sich alles Material, das Voisey zusammengetragen hatte, um Simbisters Verstrickung in die Sprengstoffanschläge nachweisen zu können, bereits in den Händen der zuständigen Behörden befand, wie auch die Papiere, aus denen die Beziehung zwischen Grover und Simbister hervorging und die Letzteren in Bezug auf das Dynamit im Laderaum der Josephine belasteten.
    Auf dem Heimweg kam Pitt der Gedanke, Narraway könne nach wie vor in der Keppel Street auf seine Rückkehr warten. Charlotte und Vespasia würden bestimmt dort sein.
    Kaum hatte er die Haustür geöffnet, als Narraway schon im Flur stand. Sogleich sah er auf Pitts Gesicht, dass er verloren hatte.
    »Was ist geschehen?«
    Pitt bückte sich und zog sich die Schuhe aus. »Eine üble Geschichte«, sagte er. »Er hat in Voiseys Haus angerufen und so getan, als wenn er mit ihm spräche. Dann hat er zu Tellman gesagt, er wolle ihn dort aufsuchen. Wir haben das geglaubt.«
    »Und?«, fragte Narraway scharf.
    Pitt stand in Strümpfen vor ihm. »Wahrscheinlich hat er mit
dem Butler telefoniert, wenn er nicht den Anruf von A bis Z vorgetäuscht hat. Jedenfalls war Voisey nicht zu Hause, sondern im Unterhaus. Bis wir unseren Fehler erkannt hatten und dort ankamen, war er bereits tot. Wetron berichtete gerade den Umstehenden, dass er gekommen sei, Voisey festzunehmen, dieser ihm Widerstand geleistet und ihn mit einem Brieföffner angegriffen habe. Daraufhin habe er ihn in Notwehr erschießen müssen.«
    Narraway fluchte laut, ohne daran zu denken, dass Charlotte und Vespasia das in der Küche hören konnten.
    »Was können wir jetzt noch tun?«, fragte Charlotte niedergeschlagen.
    Narraway drehte sich zu ihr um und errötete tief. Er schien zu überlegen, ob er sich entschuldigen sollte. Er holte tief Luft.
    Vespasia sagte rasch: »Sicher macht Gracie uns gleich Tee, dann können wir gemeinsam überlegen, welche Möglichkeiten uns bleiben.«
    »Bleiben uns denn welche?«, fragte Charlotte, als sie alle um den Küchentisch saßen, auf dem außer Tee auch Brot und Butter standen. Auch Vespasia hatte sich zu ihnen gesetzt, ganz so,

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