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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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sie den wilden Hufschlag vernahmen. Überall lagen Leichen, die grausame Ernte der Goldei. Sai'Kanee trieb ihr Pferd zum schnelleren Galopp an, setzte über die leblosen Körper hinweg. Schweiß stand auf ihrer Stirn.
    Die Straße machte eine Biegung zum Marktplatz. Sai'Kanee kannte den Weg gut; es war nicht mehr weit bis zum südlichen Stadttor. Verzerrte Stimmen drangen an ihr Ohr, Hilferufe; die Priesterin beachtete sie nicht. Voran, voran, nicht zögern, nicht zögern…
    Doch dann - ein wütendes Fauchen in ihrem Rücken! Sai'Kanee warf den Kopf zurück. Aus dem Nebel löste sich eine Gestalt; ein tierhafter Körper, um dessen Glieder ein purpurnes Tuch flatterte. Sai'Kanee erhaschte einen Blick auf die Schuppenhaut ihres Verfolgers; sein Maul war weit aufgerissen, messerscharfe Zähne, eine hervorschnellende Zunge, glitzernde Augen, deren Farbe ständig zu wechseln schien. Mit mächtigen Sprüngen setzte der Goldei ihr nach. Scharfe Krallen schabten auf den Pflastersteinen. In der erhobenen Klaue glänzte ein goldenes Schwert.
    Sai'Kanee blickte entsetzt voraus. Das Pferd hatte den Marktplatz erreicht; er war menschenleer, die Zelte der Händler verwüstet und in Fetzen. Treppenstufen führten zum unteren Teil des Platzes herab; das Pferd nahm sie im Sprung. Hinter ihr fauchte der Goldei. Er war dicht hinter ihr; sie konnte seine zischende Stimme vernehmen: »Bleib… bleib nur stehen… was soll deine Flucht schon bringen?… stirbst ja doch! Kannst es nicht verhindern, Zauberin!« Sie hörte das Sirren seines Schwertes; die Klinge streifte ihren Mantel, der Stoff zerriß. »Gib uns den Stab… er hat uns so lange geknechtet, muß endlich vernichtet werden! Gib uns den Stab, den du vom Felsen nahmst. Er gehört dir nicht… gehört uns, uns!«
    Sie tastete nach dem Griff ihres Schwertes, zog es noch im Ritt, riß heftig an den Zügeln. Das Pferd bäumte sich auf, warf sich herum; fast schleuderte es seine Reiterin aus dem Sattel. Der Goldei schnellte seitlich an ihr vorbei, wirbelte herum, doch zu spät: Mit einem Schrei ließ Sai'Kanee ihre Klinge herabsausen. Sie traf den Goldei oberhalb der Brust. Schwarzes Blut spritzte empor. Brüllend ging die Echse zu Boden; ihre Schwanzspitze zuckte wie eine tödlich getroffene Schlange.
    Schwer atmend sank Sai'Kanee in den Sattel nieder, ließ das Schwert in die Scheide zurückgleiten. Ihre Hand tastete nach dem Mondamulett, das um ihren Hals hing. »Ich danke dir, Meister!« flüsterte sie. »Beschütze mich in diesen Stunden; ich werde es dir nicht vergessen.«
    Wie zur Antwort zerriß vor ihren Augen der Nebelschleier. Ein Korridor bildete sich in den Schwaden und ließ die abschüssige Straße zum Stadttor erkennen. Ohne zu zögern trieb Sai'Kanee ihr Pferd zum Weiterritt an. Hinter ihr stob der Nebel auf. Dann schloß er sich wieder, verschluckte sie, und das Trappeln der Pferdehufe verhallte im Dunst.
    Folgendes wird vom Fall der Stadt Dalal'Sarmanch berichtet:
    Die Stadt Dalal'Sarmanch, die man auch die Stadt der Sieben Türme nannte, hielt sich für unbesiegbar. Sie lag im Westen Arphats, am Ufer des fruchtbaren Flusses Nesfer, und war umgeben von kriegerischen Städten, die ihr den Reichtum neideten. Um sich vor der Gier dieser Nachbarn zu schützen, zog Dalal'Sarmanch frühzeitig eine Mauer aus Stein um den Stadtkern. Diese Mauer wurde im Lauf der Jahrhunderte mehrfach verstärkt. Jeder Stadtfürst versuchte seine Vorgänger zu übertreffen, indem er die Mauer um einige Spann erhöhte oder einen Trutzturm errichtete, von dem aus die Feinde mit Pfeilen eingedeckt werden konnten. Bald zählte die Stadt sieben Türme, und die Mauer war so hoch, daß nur zur Mittagszeit Sonnenstrahlen in die Stadt einfielen. Den Rest des Tages lag Dalal'Sarmanch in Schatten. Das Leben hinter der Mauer war trist, die Bewohner kränklich. Fremde wurden argwöhnisch beäugt; man hielt sie für Kundschafter der feindlichen Städte oder gar für Saboteure. Denn Dalal'Sarmanch fühlte sich zwar dank seiner Mauern jedem anrückenden Heer überlegen; doch um so größer war die Furcht vor einem inneren Feind, der sich in den dunklen Schatten der Stadt verbergen konnte. Eine geheime Garde wachte über sämtliche Schritte der Bewohner, und keine Woche verging, ohne daß ein vermeintlicher Verräter dem Henker übergeben wurde.
    Lange verharrte Dalal'Sarmanch in diesem Zustand, jener zwiespältigen Mischung aus Hochmut gegenüber der Außenwelt und Furcht vor dem düsteren Gefängnis, das

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