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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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ich ’nen Anwalt.»
    «Du kennst doch gar keinen.»
    «Ja.»
    Pause.
    «Es müsste mal einer ’ne Kackstelze erfinden.»
    «Was soll das denn sein?»
    «Wenn du unterwegs bist und Arschdruck hast. Dann steigst du auf die Stelze und kackst los.»
    «Ach, hör mal auf jetzt mit dem Scheiß.»
    «Kacken wie bei Muttern.»
    Pause.
    «Pisst du zu Hause eigentlich ins Klo oder ins Waschbecken?»
    «Waschbecken. Klo ist totale Wasserverschwendung.»
    Pause.
    «Mathematik ist total bescheuert. Das stimmt doch schon in sich nicht.»

    Irgendwie kommt keine Stimmung auf. Kaum hat man mal einen Nachmittag frei, ist das auch schon wieder nicht gut. Nichts ist, wie es sein soll. Wir fragen uns zum Kino durch. Das einzige Kino in Scharbeutz heißt Kurbel . Kurbel , guter Name für ein Kino. Es ist zehn vor drei, gleich beginnt die Nachmittagsvorstellung. Wir entscheiden uns drei zu eins dafür, reinzugehen. Tiedemann ist dagegen, aber nützt ja nix.
    Die Trottel von der siebten Kompanie , keiner von uns hat jemals etwas von dem Film gehört. Freigegeben ab zwölf, viel Gewalt kommt da dann leider wohl nicht drin vor. Rocky oder Star Wars schaffen es nicht bis Scharbeutz, den Scharbeutzern ist gleichgültig, was gegeben wird, es geht denen nur darum, überhaupt ins Kino zu gehen.
    Außer uns verlieren sich nur noch ein paar Bundeswehrsoldaten in dem muffigen Fünfziger- oder Vierziger- oder Dreißiger-Jahre-Saal. Das Beste am Kino ist die Werbung, die ist viel aufwendiger und witziger als Fernsehwerbung, richtige Kunstwerke sind dabei: Ein Mann schleicht sich nachts im Nachthemd zum Kühlschrank und nascht heimlich was. Die Soldaten lachen. Ich lache mit, obwohl ich nicht weiß, warum, ein Mann, der heimlich nascht, ist ja nun nicht gerade lustig. Aber die Soldaten sind viel älter als ich, sicher gibt es einen guten Grund, weshalb sie lachen, und ich bin nur zu doof, den zu kapieren. Also lache ich, wenn die Soldaten lachen.
    Der Film, eine französische Kriegskomödie, ist ganz und gar unterirdisch, schlimmer als alle Didi-Hallervorden- und Heinz-Erhardt-Filme zusammen: Drei Soldaten verlieren den Anschluss an ihre Kompanie und werden in haarsträubende Abenteuer verwickelt. Der Franzmann ist ja nun sowieso nicht gerade für seinen Humor bekannt, einzige Ausnahme: Louis de Funès. Der Film ist eine Zumutung, selbst wenn man Sonntagnachmittag und Scharbeutz abzieht. Eigentlich müsste man schon aus Protest gehen, aber wohin? Zum Glück ist die Kurbel ein Raucherkino. Wir rauchen wie die Verrückten, obwohl es eh schon unerträglich heiß und stickig ist. Ich habe schrecklichen Durst, aber es gibt nichts zu trinken, und ich hätte auch gar kein Geld. Die Soldaten haben dem Feuerwerk der Langeweile bald auch nichts mehr entgegenzusetzen. Im Zweiten Weltkrieg gab es keine Kühlschränke, aus denen man sich nachts heimlich was holen konnte. Sie hocken teilnahmslos in den gepolsterten Plüschsesseln, schwitzen sich in ihren daumendicken Ausgehuniformen zu Tode und sehnen wie wir das Ende des Films herbei. Fünf Freunde im Kino: Unter jedem Platz befindet sich ein Kühlschrank mit frischen Leckereien: Erdbeerquark. Eis. Ein Krug Limonade mit Eiswürfeln. Fruchtjoghurt. Früchte. Wunderbar kühle Milch. Malzbier.
    Wieso ist der Film eigentlich erst ab zwölf freigegeben? Da kommt ja gar keine Gewalt drin vor! Endlich, die Trottel haben ihre Kompanie wiedergefunden, jetzt ist der Film bestimmt zu Ende! Ich schaue auf mein Handgelenk, aber da ist keine Uhr. Irre alles.
    Der Film ist doch noch nicht vorbei. Ich kann nicht mal mehr rauchen, überraucht. Wenn wenigstens ein japanischer Science-Fiction-Schocker laufen würde, mit schlechtgemachten Monstern, die aussehen, als hätten Dreijährige sie konstruiert. Ich denke nach, weiß aber nicht, worüber. Das ist die Jugend, fällt mir ein. Schrecklich leer fühle ich mich, die Trottel haben mich ausgehöhlt. Vielleicht läuft im Film noch ein anderer, unsichtbarer Film, der macht, dass ich mich so fühle. Ach, ich weiß es doch auch alles nicht. Wenn mein Leben nun immer so weitergeht, wie es jetzt gerade ist? Das wäre ein Wahnsinn.
    Die Soldaten halten es nicht mehr aus und verlassen vorzeitig das Kino. Meine Augen tränen vom Rauch, vielleicht haben sie sich auch entzündet. Von Tränen bekommt man Tränensäcke. Ob ich wohl später mal Tränensäcke bekomme? Das ist eines der vielen Dinge, die ich unter allen Umständen vermeiden will, allein schon, weil das Wort so abstoßend ist:

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