Flederzeit - Sturz in die Vergangenheit (Historischer Roman): 1 (German Edition)
vorgeritten.“
Ungeachtet ihrer Entwarnung packte Mattis sie am Arm, zog sie Richtung Hütte. „Hat Johann das bestimmt? Bringt er ihn nach Ehrenberg? Müssen wir Ilya zurückholen?“
„Nein, nein, es ist alles in Ordnung.“
„Du hast dich freiwillig von Ilya getrennt?“ Verständnislos. „Ihn Johann überlassen?“
„Johann bringt Käthe und ihn in eine Berghütte auf dem Thaneller. Das ist in seinem Interesse. Er schützt und versorgt uns, hat jederzeit die Möglichkeit ...“
„Er hat jederzeit Zugriff auf euch, willst du sagen“, ging Mattis schroff dazwischen.
Er ist eifersüchtig. Die Freude darüber war schneller als ihre Kontrolle. Dann kam die Wut. Was bildete er sich ein, über sie zu urteilen? Außerdem war er kurz davor, sie wirklich endgültig zu verlassen, da stand es ihm ja wohl nicht zu, irgendwelche Ansprüche auf sie zu erheben.
„Ich weiß, dass Frauen in deiner Zeit Rechte haben, dass es ihnen möglich ist, ohne einen Mann zu überleben“, fauchte sie ihn an. „Selbst Kinder allein großzuziehen. Das ist heute anders. Ich habe nicht die Freiheit, von hier wegzugehen. Ich darf Ilya nicht den Schutz seines Vaters entziehen. Verstehst du das?“ Es war egal, ob er es verstand oder nicht, er würde gleich für immer verschwinden. „Heutzutage müssen die Frauen ...“
Mattis' gequältes Aufstöhnen ließ sie verstummen.
„Es tut mir leid, ich wollte dich nicht angreifen.“ Hilflos streckte er die Hand nach ihr aus, legte sie auf ihren Unterarm. „Ich habe mir nur Sorgen gemacht, ich ...“
„Du wirst nicht mehr lange hier sein, und ... es ist nicht sicher, ob du ...“ Was sollte das heißen? Nicht sicher, ob er wiederkäme? Sie kamen eben nicht wieder! Frank hatte es getan, wahrscheinlich, weil er es so sehr gewünscht hatte. Die anderen hatte sie nur noch ein paarmal hin- und herflackern sehen, ehe sie dann … Die meisten hatte sie niemals mehr wiedergesehen.
Auch Mattis hatte schlucken müssen. Er meinte es anscheinend wirklich ernst, wenn er sagte, dass er gern geblieben wäre.
Plötzlich wurde ihnen beiden bewusst, dass er sie noch immer festhielt. In verstohlener Auffälligkeit ließ er seine Hand sinken. Hustete. Mila strich ihr Kleid glatt, um ihnen beiden über den peinlichen Moment hinwegzuhelfen.
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Sie sahen sich nicht an. Allerdings konnten sie nicht ewig hier herumstehen und sich vor dem drücken, was notwendig war.
„Ich ...“, begann er, während zugleich sie Luft geholt hatte:
„Ich wollte ...“
„Ja?“ Jetzt war er schneller als sie gewesen.
„... dir Lebewohl sagen“, überwand sie sich.
„Du hast also ...“ Auch er quälte sich mit den Worten.
Plötzlich fiel es Mila leicht, ihm in die Augen zu sehen. Er erwiderte das – und offensichtlich half ihm das.
„Du hast hier gewartet?“ Auf mich, hatte er sich dann doch nicht zu sagen getraut. Zuneigung für diesen bescheidenen Mann überschwemmte Mila. Wie selbstsicher Johann in einer Situation wie dieser vor ihr gestanden hätte, wie der sich gebrüstet hätte in seiner Überzeugung, unwiderstehlich zu sein.
Sie schüttelte den Kopf – als ihr bewusst wurde, dass sie nicken müsste! „Ich konnte nicht weggehen“, erklärte sie schnell. Zusammen mit ihrem Krächzen hatte das eindeutig zu dramatisch geklungen. „Schließlich wusste ich ja nicht, ob du noch einmal wiederkommen würdest“, fügte sie hinzu – jetzt wiederum zu harsch.
Mattis versuchte ein Lächeln, das ihm jedoch missglückte. „Ich danke dir.“ Er räusperte sich. Biss sich auf die Unterlippe.
Das konnte sie nicht länger mit ansehen. Sie öffnete die Arme und machte den Schritt auf ihn zu. Spürte aufatmend, wie er die Umarmung sofort erwiderte.
Wärme. Das war es. Und Halt. Er hielt sie. Ein bisschen verkrampft. Er war wirklich unsicher. Und doch tat es der Wärme, die von ihm ausging und sich in ihr ausbreitete, keinen Abbruch.
Er war größer als Johann, kräftiger, ungewohnt. Sie fühlte sich kleiner und schmaler als sonst – und wohl. Zum ersten Mal seit ... so langer Zeit fühlte sie sich wahnsinnig wohl, geborgen. So, wie sie sich bei Johann niemals fühlte. Mit ihm stehe ich auch nie so, dachte sie. Wir haben uns noch nie auf diese Weise umarmt.
Auch Mattis atmete entspannter. Und machte keinerlei Anstalten, sie loszulassen. Stand ganz fest jetzt, ruhig und sicher, und hielt sie. Begann unmerklich zuerst, dann mutiger, sie sanft hin und her zu wiegen. Das
Weitere Kostenlose Bücher