Flegeljahre am Rhein
Etwas ungewöhnlich:
Ein Vorwort zum Vorwort
Diese Geschichte einer Oberprima habe ich Anfang 1935, also vor genau dreißig Jahren, geschrieben. Sie erschien damals in vielen großen deutschen Zeitungen als Roman — zum Vergnügen der Leser, die ja alle einmal Schüler waren, und zum Ärger einiger Lehrer. Die „Flegeljahre am Rhein“ haben keinen „Tiefgang“. Die Geschichte ist unbekümmert, frech und manchmal schnoddrig erzählt. Paul Wiegier, der Cheflektor des alten großen Ullstein-Verlages, lobte ihr Temperament und ihre „herzliche Unbekümmertheit, die sympathisch ist...“
Verlag und Autor haben lange überlegt, ob an dieser Geschichte etwas geändert werden soll. Wir waren uns schließlich einig, es nicht zu tun. Sie würde vielleicht durch eine Überarbeitung besser, „reifer“, stilistisch zuchtvoller werden — aber auch zweifellos viel von ihrer „erfrischenden Ausgelassenheit“ (Wiegier) verlieren.
Ich weiß, was meine Kritiker sagen werden... Der Verfasser zeichnet zu viele überspitzte Situationen, manches ist übertrieben. Er stellt nur „Teufelskerle“ vor, und es gibt für ihn offenbar unter den Lehrern nur „Originale“. Wenn sich die Kritiker dennoch amüsieren, manchmal sogar herzhaft lachen und sich ihrer eigenen Schulzeit erinnern, ist der Zweck dieser Geschichte erfüllt.
Die Leser sollten immer daran denken, daß diese Geschichte in einer fröhlichen Kleinstadt am Rhein spielt. Dort konnte manches geschehen, was in großen Städten undenkbar war. Am Rhein gaben sich auch die Lehrer meist „anders “ als in den übrigen Gebieten Deutschlands.
Diese Generation gibt es heute nicht mehr — und auch die „Originale “ unter den Lehrern sind ausgestorben.
Das Grauen des Krieges hat alles geändert — die Welt und die Menschen: die Überlebenden und ihre Söhne und Töchter, die heute auf der Schulbank sitzen — als Angehörige der „skeptischen Generation“.
Wir waren damals — vor einem halben Menschenalter — so sorglos und frei von düsteren Zukunftsgedanken, daß wir albern und ausgelassen sein konnten. Die „Halbstarken“ von heute denken anders als wir „Flegel “ von damals gedacht haben... Die Probleme des Wirtschaftswunders waren uns fremd. Wir dachten nicht daran, möglichst schnell „fertig“ zu sein und einen „Job“ zu bekommen. Wir wollten, damals, nur jung sein...
Heute lächeln wir mit unseren Söhnen über die Albernheiten, die wir damals für „Heldentaten“ hielten, und schütteln den Kopf über die Späße, die wir als Ausdruck der Lebensfreude deuteten.
Ach, damals...
So vieles war anders. Der Rhein war noch keine Kloake. Wir konnten in ihm baden und schwimmen... Und ein Glas Wein kostete nur 20 Pfennig...
☆
Ein Kritiker schrieb 1937:
„Diese Schülergeschichte wäre, bei allem Schwung und aller stilistischen Routine, schon in der Systemzeit (Weimarer Republik) auf Widerspruch gestoßen. Heute, in unserem Ordnungsstaat des Dritten Reiches, ist sie unmöglich
Ausgerechnet dieser Herr Kritiker ließ mich 1952 brieflich wissen, es wäre doch „sehr wünschenswert, diese zeitlose, köstliche und freche Geschichte“ wieder zu veröffentlichen. Ich hatte mir damals das Wundern schon abgewöhnt.
Es gab in den dreißiger Jahren tatsächlich einigen Widerspruch — und zugleich einen beachtlichen Erfolg. Als die „Flegeljahre “ ihre „Premiere “ erlebten, glaubten meine alten Lehrer, ich hätte sie lächerlich machen wollen. Sie erhoben Einspruch und verklagten mich. Das Gericht fragte sie, ob sie keinen Humor hätten. Das wollten sie sich nicht nachsagen lassen. Sie zogen die Klage zurück, und einer versicherte mir: „Ohne Ihren Namen als Verfasser wären wir gar nicht auf die Idee gekommen, daß wir gemeint sein könnten .. Später wurden wir wieder die besten Freunde.
Ich bin davon überzeugt, daß auch jetzt einige Lehrer einer neuen Generation böse auf mich sein werden. Aber ich hoffe zuversichtlich, daß auch sie — Humor haben.
Im Schwarzwald, im Vorfrühling 1965.
Bernd Ruland
Viel Vergnügen.
... wünscht der Autor seinem pp. Publikum, dem er hier einige Herrschaften vorstellt, die in der ganz und gar unernsten Geschichte mitmachen:
Tithemi
Direktor des Gymnasiums zu Rheinstadt. Vorerst kein weiterer Kommentar. Außerdem ist heute Sonntag.
Mathilde
gehört seit 26 Jahren zu Tithemi. Wie einst im Mai.
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