Fleisch und Blut: Der Kannibale (German Edition)
Kommissar rutschte unruhig auf seinem Stuhl nach vorn und wieder zurück. Carla Fuchs war genau die Richtige. Wenn sie ihn dabei unterstützen könnte, den Fall aufzuklären, umso besser. Allem voran musste er die Bevölkerung vor diesem Wahnsinnigen schützen, ihn fassen und lebenslänglich wegsperren.
«Wie ich vernommen habe, haben wir in diesem Fall Kenntnis von zwei Opfern. Von beiden sollen nur die Skelette, beziehungsweise Knochen, aufgefunden worden sein. Tägli erwähnte, dass der ermordete Journalist in diesem Fall recherchiert und eine heisse Spur verfolgt habe.»
«Darüber wüsste ich gerne mehr! Konnte Tägli Ihnen etwas über die Recherchen des Journalisten sagen?»
«Leider nein. Das Engagieren meiner Person war wohl ein Akt tiefster Verzweiflung.»
Kommissar Aemisegger informierte die Detektivin, was er über den Fall in Erfahrung gebracht hatte. Er erzählte ihr vom Familienvater Kunz, der im Mai dieses Jahres den ersten Knochenfund gemeldet hatte. Der Kommissar beschrieb ihr die Situation am Tatort, wie Finger-, Zehen- und weitere menschliche Knochenstücke sorgfältig auf den Waldboden verstreut und mit kopfgrossen Steinen umringt worden waren. Auch, dass Kägi, der Untersuchungsmediziner, das scheinbar Unmögliche möglich machte und den Ermordeten als Lukas Brennwald identifizierte.
Aemisegger betonte, dass er und Köppel persönlich den Mitbewohner, den Nachbarn sowie den Ex-Mitbewohner aufgesucht hatten und dass die Schwester des Toten im Ausland leben würde. Zwischendurch trank er Kaffee, selbst aus den leeren Bechern kippte er sich die letzten Tropfen der verzuckerten Kaffeebrühe in den Mund.
Dann erzählte er der Detektivin von dem mysteriösen Knochenfund in Süddeutschland, dessen Identität noch ungeklärt war. Er rügte sich selbst mehrmals, die Zeitung mit einbezogen zu haben. Er hatte einen Riesenfehler gemacht; hätte er die Zeitung nicht informiert, hätte der Journalist nicht recherchieren können und wäre heute noch am Leben. Aemisegger machte sich schwere Vorwürfe deswegen. Und ja, den aktuellen Stand kenne sie ja bereits. Die Situation sei diese, dass man erneut, also zum dritten Mal innerhalb eines Jahres, menschliche Knochen aufgefunden, respektive vorliegen, habe. Das Schlimmste sei wohl gewesen, dass er vom Mörder höchstpersönlich das Paket mit den Knochen von Jürg Ambauen erhalten habe. Wer sonst sollte es gewesen sein? Aemisegger bedauerte zutiefst, dass die Spurensicherung auf dem Paket nicht einen einzigen verwertbaren Fingerabdruck habe feststellen können.
Das Bild, das sich nach den Erkenntnissen der Rechtsmediziner bot, sei ein tragisches: Alle drei Opfer waren zerstückelt worden – ziemlich sicher mit einer Kreissäge – und es wurde bestätigt, dass bei allen dreien das Fleisch mit einem scharfen Messer von den Knochen abgezogen worden war.
Hin und wieder stellte die Detektivin eine Vergewisserungsfrage. Es vergingen weitere zwanzig Minuten, bis Carla Fuchs ihren Kollegen aus seiner Leidensrede erlöste und ihn fragte: «Und von was für einem Täterprofil gehen Sie aus?»
Aemisegger schwieg. Auf diese Frage fand er keine passende Antwort. Es war zermürbend.
Carla Fuchs dachte laut nach: «Sein Motiv ist mir auch nicht klar.»
«Motiv. Ja-ja.» Kommissar Aemisegger wirkte wie weggetreten. Doch er war voll präsent. Er brannte darauf, diesen menschenvernichtenden Irren zu finden und wegsperren zu lassen.
«Herr Aemisegger, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht den kleinsten Hinweis in den Händen halten? Es sollte doch möglich sein, mehr über die heisse Spur in Erfahrung zu bringen, die der Journalist verfolgt hat. Wenn ein Journalist etwas herausbekommen kann, warum nicht Sie?»
Für Aemisegger war diese Feststellung ein Schlag ins Gesicht. Carla Fuchs hatte seinen wunden Punkt erneut getroffen. Er gab ihr zu verstehen: «Wir haben alles unternommen, was in unserer Macht stand. Die Spurensicherung hat den Arbeitsplatz des ermordeten Journalisten durchsucht, ebenso seine Wohnung. So sehr ich bedaure, Ihnen das sagen zu müssen: wir haben nichts gefunden, das uns weiterhelfen könnte.»
Carla Fuchs gab sich einen Schupf, es entsprach grundsätzlich nicht ihrer Natur, Prognosen zu verkünden. Doch in diesem Fall blieb ihr nichts anderes übrig. Zudem suchte sie den gedanklichen Austausch mit ihrem Kollegen. Es war sehr schwierig, sich ein Bild davon zu machen, was da vor sich ging. Die Dinge erschienen
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