Fleisch und Blut: Der Kannibale (German Edition)
ihr so unrealistisch.
«Ich weiss nicht, Aemisegger, der Mann ist ein Besessener. Einer, der ein teuflisches Ritual zelebriert.»
«Ja, vielleicht haben Sie recht.» Aemisegger kam endlich in die Gänge «Ein Irrer oder ein Besessener. Denken Sie, es ist persönliche Rache?»
«Das ist eine gute Frage, Aemisegger! Es wäre entscheidend zu wissen, ob der Mörder seine Opfer kannte oder sie willkürlich auswählte.»
«Wenn er den Journalisten persönlich gekannt hätte, wäre das ein sehr grosser Zufall.»
«Sie haben recht, doch er könnte eine Ausnahme gemacht haben. Möglich wäre, dass der Journalist zu ihm nach Hause fuhr oder ihm aufgelauert hatte. Und er deswegen eines seiner Opfer wurde. So quasi: zur falschen Zeit am falschen Ort oder eben umgekehrt, je nach dem aus welcher Sicht die Situation betrachtet wird.»
«Ja, das könnte natürlich so gewesen sein. Ob zwischen Lukas Brennwald und dem Skelett in Süddeutschland ein Zusammenhang besteht, sich die Opfer gekannt haben oder gar eine gemeinsame Bekanntschaft zu ihrem Mörder pflegten, liess sich bisher leider nicht feststellen, da wir die Identität des Toten in Süddeutschland nicht kennen. Wie Sie eben ergründeten, ist es wahrscheinlich, dass Jürg Ambauen ein Zufallsopfer wurde. Nur leider bringt uns auch dieser Ansatz keinen Millimeter weiter. Es sei denn, der Täter würde erneut zuschlagen, was es in jedem Fall zu verhindern gibt.»
«Was ist mit dem Auto von Jürg Ambauen. Konnten Sie den Wagen bereits durchsuchen?»
«Leider habe ich auch auf diese Frage einen negativen Bescheid. Wir haben den Wagen natürlich sofort zur Fahndung ausgeschrieben. Doch bislang ging kein sachdienlicher Hinweis bei uns ein.»
Carla Fuchs wusste, wie verzweifelt neben Felix Tägli auch ihr Kollege Aemisegger sein musste. «Lassen Sie mich eine Nacht darüber schlafen. Ich muss mir all die Dinge in Ruhe durch den Kopf und den Bauch gehen lassen.»
«Sie sind echt zu beneiden, Frau Fuchs. Ich wünschte mir, ich könnte noch schlafen. Die letzten Wochen waren nervenaufreibend! Ich bin froh darüber, auf Ihre Unterstützung zählen zu können.»
«Ich melde mich bei Ihnen, Herr Aemisegger. Und schauen Sie gut zu sich.»
Carla Fuchs fühlte sich benommen, als sie den Hörer wieder auflegte. Ihr Ohr war brandheiss. Sie hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Ihr war kalt beim Gedanken an den Menschen, der sich hinter diesen grässlichen Taten verbarg. Mit was für einem Menschen hatten sie es zu tun? Was trieb ihn zu diesen furchtbaren Morden? Was tat er mit seinen Opfern? War es ein Täter oder sogar eine Gruppe von Menschen, die ein Ritual frönten? Sollten es mehrere sein, wäre dies eine grosse Gefahr, eine echte Misere für die Gesellschaft. Detektivin Fuchs entschied, Kommissar Aemisegger bei der Aufklärung des Falles nicht im Stich zu lassen. Doch sie wollte kein Risiko eingehen. Keinesfalls wollte sie auf ihre alten Berufstage hin noch einem Verbrechen zum Opfer fallen. Und schon gar nicht, wie der Journalist Ambauen von einem Mörder zerstückelt zu werden. Es war grauenvoll.
Unbändiges Verlangen
Einige Wochen später.
Hungrig rieb er sich die Handflächen, als er von seinem Hofrundgang zurückkam. Noch einmal war er im Schlachtraum gewesen, ein weiteres Mal hatte er eine frisch gefangene Beute zerlegt. Die Rituale häuften sich dieses Jahr, dessen war er sich bewusst. Er kannte die Einstellung der Leute in der Gesellschaft, auch wenn er ihre Haltung nicht nachvollziehen konnte. Die Meinungen gingen bei diesem Thema weit auseinander. Er hatte begriffen, dass er mit seiner Vorliebe fast allein war, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen noch nie davon gekostet hatte. Immerhin hatte er es geschafft und zuvor eine längere Pause eingelegt. Aber jetzt, wo er es wieder gekostet hatte, konnte er an nichts anderes mehr denken. Je mehr er es zu verbergen, gar zu verdrängen versuchte, desto stärker wurde sein Verlangen. Die Medienberichte in den letzten Wochen waren das Holz in seinem Feuer und schürten seinen Heisshunger regelrecht an. Dass sich die Öffentlichkeit für ihn interessierte, schmeichelte ihm. Er hatte dadurch den Eindruck vermittelt bekommen, eine Art Übermensch zu sein. Ja, so fühlte er sich ein Held. Die Rolle gefiel ihm.
Im Sinnesrausch der Gelüste schwelgend schritt er die Treppenstufen hinunter in den Keller, wo sein Tiefkühler angeschlossen war. Auch heute trug er wieder die Kutte seines
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