Fleisch und Blut: Der Kannibale (German Edition)
Gefasst sprach er in die Muschel und kam gleich auf den Punkt: «Wissen Sie schon, um wen es sich bei dem Knochenfund handelt, Kägi?»
«Guten Morgen, Herr Aemisegger. Es wird Sie erschüttern, das zu hören: es handelt sich beim Toten um den Journalisten Jürg Ambauen.»
Die Nachricht rammte Aemisegger wuchtig in die Bauchgegend. Die schlimmsten Befürchtungen waren wahr geworden. Der Kommissar schluckte schwer und Köppel wagte zu erahnen, worum es ging.
«Sind Sie sich da ganz sicher?», hakte Kommissar Aemisegger beim Mediziner nach.
«Es besteht kein Zweifel. Es war einfach, die Identität festzustellen. Wir hatten ja die Information von Ihnen erhalten, dass Ambauen vor einigen Jahren Knochenbrüche durch einen Skiunfall hatte. Zeitlich kam das mit den verheilten Knochen hin. Zudem steckten noch Schrauben im Gelenk. Diese haben wir auch schon mit dem zuständigen Krankenhaus abgeklärt. Der Chefarzt hat bestätigt, dass sich der verheilte Bruch und die Schrauben 1:1 mit den im Spital dokumentierten Bildern des Bruches und dem medizinischen Bericht der damaligen Operation deckten.»
«Danke, Kägi, für die rasche Abklärung.», sagte Aemisegger mit belegter Stimme. Der Kommissar legte den Hörer auf und Köppel verschlug es vorerst einmal die Sprache. Hilflos schaute er zu seinem Chef hinüber.
Sie hatten nun Gewissheit und schon zwei Tote.
Beide blieben lange sitzen ohne ein Wort zu sprechen. Schliesslich raffte sich Aemisegger als erster wieder auf: Köppel sollte sich auf den Weg zur Ehefrau des Journalisten machen, um sie über den Tod ihres Ehemannes zu informieren.
Aemisegger selbst fing an, auf seinem Schreibtisch die alte Ordnung wieder herzustellen, indem er seine durcheinandergeratenen Papiere sortierte. Zwei Stunden später griff er schwerfällig zum Telefonhörer und wählte die Nummer des Chefredaktors Felix Tägli, um ihn zwei Wochen nach dem Verschwinden von Jürg Ambauen über den grausamen Fund zu informieren.
Carla Fuchs
Die Nachricht fuhr Chefredaktor Felix Tägli in Mark und Glieder. Kommissar Aemisegger hatte ihn unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Information für ihn persönlich, als Arbeitgeber, jedoch keinesfalls für die Zeitung bestimmt sei. Als Tägli ihm versichert hatte, kein Wort aus dem Gespräch an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, erklärte ihm Aemisegger, dass die Polizei über neue Erkenntnisse im Mordfall Lukas Brennwald verfüge. Die Details könne er ihm nicht verraten, doch so viel, dass es sich um einen weiteren Knochenfund handelte. Es dauerte eine Weile, bis der Chefredaktor begriffen hatte, was ihm Aemisegger mitteilen wollte. Vielleicht lag es daran, dass er auf stur geschaltet hatte, weil er intuitiv wusste, dass ihm die Botschaft Angst und Schrecken jagen würde. Als er endlich begriffen hatte, dass es sich bei dem frisch Skelettierten um seinen Mitarbeiter Jürg Ambauen handelte, rastete Tägli innerlich aus. Der Kommissar musste ihm versichern, dass nicht der geringste Zweifel bestünde und dass es sich bei den Skelettteilen definitiv um die des Journalisten handelte. Der Schock sass auf beiden Seiten tief. Felix Tägli rang um Worte.
Unruhig trabte der Chefredaktor in seinem Büro auf und ab, hin und her, setzte sich, stand wieder auf und schaute hinüber zum Arbeitsplatz von Jürg Ambauen. Er wartete auf die Leute von der Spurensicherung, die Aemisegger angekündigt hatte. Der Chefredaktor war zuversichtlich, dass ein klarer Hinweis gefunden würde, ein Hinweis darauf, welche heisse Spur Jürg Ambauen verfolgt hatte. Innigst aber hoffte er, dass es sich alles um ein Versehen handelte und dass wie gewöhnlich Ambauen an seinem Mac sässe und in die Tastatur haute. Selbst sein latent mürrisches Gehabe wäre Tägli noch so willkommen gewesen. Hauptsache, er hätte ihn lebendig vor sich gesehen. Doch da sass kein in die Tasten hauender Jürg Ambauen auf seinem Bürostuhl. Staub hatte sich inzwischen auf seinem Pult angesetzt.
Von nun an war alles anders. Felix Tägli konnte nicht mehr tatenlos dasitzen oder dergleichen tun, als wäre nichts gewesen. Die Spurensicherung hatte nichts ergeben, keinen einzigen brauchbaren Hinweis, weder am Arbeitsplatz noch zuhause. Die Vorstellung, dass Jürg Ambauen dem Mörder von Lukas Brennwald direkt in die Arme gelaufen war, machte ihn wahnsinnig. Die Gedanken von Felix Tägli drehten sich endlos im Kreis, worüber hatten sie die letzten Tage
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