Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
fragte sich, ob Roland wohl so schlau sein würde, der Geräuscheffekte wegen die Löwen und Hyänen ein wenig aufzuscheuchen, als sie ganz unerwartet mit einem gewaltigen Prusten auf die Beine kam und leise trompetete.
    Na bitte. Das war doch was – wenigstens mußte er sie jetzt nicht mit dem Elfenbeinstock anstacheln.
    Bernard betrachtete das Tier erstaunt – hatte also doch noch ein bißchen Showtalent in sich, das betagte Mädchen. Entweder das, oder es war der Altersschwachsinn. Alt war sie – Bernard wußte nicht genau, wie alt, aber immerhin war diese Veteranin achtunddreißig Jahre lang mit den Ringling Brothers und dem Barnum & Bailey Circus herumgezogen und unter dem Namen »Bessie Bee« aufgetreten, aber gehört hatte sie immer nur auf »Shamba« – jedenfalls wenn man den Stock benutzte. Bernard sah kurz zur Einfahrt, wo jetzt ein weißer Jaguar aus den gewaltigen Staubschwaden auftauchte, dann hörte er die Affen kreischend aus ihren Käfigen stieben und auf die Bäume klettern. Er sammelte sich, rang sich ein Grinsen ab, rote Backen und viel Gebiß, zog den Leopardenfellgürtel fester, schob sich den Tropenhelm in den Nacken und marschierte los, um seine Gäste zu begrüßen.
    Als die Benders dann vor der Veranda zum Stehen kamen, saßen die Papageien in den Bäumen, der Marabu hackte auf einen Haufen Gedärme ein, und die Löwen brüllten markerschütternd in ihren nicht einsehbaren Ställen hinter dem Haus. Roland, in Massaitoga und mit Löwenzahnkette, sprang behende die Treppe hinunter, um Bender die Autotür zu öffnen, während Bessie Bee ganz in der Nähe herumtappte, mit den Ohren schlenkerte und Staub in die Luft prustete. »Mr. Bender«, rief Bernard und streckte einem etwa Vierzigjährigen im Polohemd und mit Sonnenbrille die Hand entgegen, »willkommen in Afrika.«
    Bender hüpfte aus dem Wagen wie ein Kind im Zoo. Er war groß, schlank, braungebrannt – warum mußten sie nur immer alle wie Profi-Tennisspieler aussehen? fragte sich Bernard – und blieb kurz in der Hitze stehen. Er schüttelte Bernard geschäftsmäßig die Hand und setzte dann, in den Mundwinkeln zuckend, an den Ohren zupfend und mit den Füßen scharrend, zu einer Entschuldigung an: »Tut mir leid, daß wir so spät dran sind, Bernard, aber meine Frau – darf ich Ihnen meine Frau vorstellen? –, die wollte noch ein paar Filme haben, und am Ende haben wir bei Reynoso, diesem Fotoshop in Bakersfield – kennen Sie den? –, den halben Laden leergekauft. Günstige Preise, wirklich günstig. Was soll’s, wir haben ja sowieso ’ne neue Videokamera gebraucht, schon für« – er machte eine Geste, die das Haus, die Nebengebäude, den Elefanten, die Affen auf den Bäumen und die Ebene in der sengenden Sonne ringsherum umfaßte – »all das hier.«
    Bernard nickte, lächelte, murmelte zustimmend, aber er hatte auf Autopilot geschaltet – seine Aufmerksamkeit galt voll der Ehefrau, der Roland jetzt auf der anderen Seite des Wagens eilfertig die Tür aufhielt. Sie hob die reizenden blassen Arme, um sich das Haar zu zerwuscheln und die Augen hinter einer Sonnenbrille zu verstecken, und Bernard hieß sie mit seinem besten britisch-kolonialen Akzent willkommen (auch wenn er allenfalls englische Vorfahren hatte und nie im Leben weiter östlich als Reno gewesen war). Zweite Ehe, keine Frage, dachte er, während sie seinen Gruß mit einem kaum merklichen Lächeln ihres Schmollmundes erwiderte.
    »Ja, ja, sicher doch«, sagte Bernard als Antwort auf eine weitere Idiotie aus dem Mund des Ehemanns, und seine wasserblauen Augen erfaßten nun die Tochter – schwarzes Haar wie eine Indianerin und fast so dunkelhäutig –, und er wußte sofort, daß sie Ärger bedeutete: sie war die Sorte Kind, die ihre Häßlichkeit wie eine Waffe pflegte.
    Nicole Bender musterte ihn lange und ausgiebig über die Motorhaube hinweg, und im nächsten Moment stand er neben ihr und drückte ihr die Hand, als probierte er einen Handschuh an. »Heiß heute, Teufel auch«, sagte er, stolz auf seine britische Ausdrucksweise, dann geleitete er sie die breiten Steinstufen hinauf ins Haus, während ihr Mann mit einem ganzen Stapel Gewehre herumhantierte. Die Tochter schlurfte hinterdrein und beschwerte sich bereits über irgend etwas mit einer hohen nörgelnden Quengelstimme.
    »Das hab ich nicht gesagt, Mike – du hörst mir eben nie zu. Ich finde die Gazellen ja wirklich sehr hübsch, und ins Büro passen sie bestimmt perfekt, aber ich dachte an etwas...

Weitere Kostenlose Bücher