Fleischmarkt
überhaupt. Frauen könnten sich theoretisch weigern zu kochen, zu putzen, zu betreuen und das Funktionieren der Gesellschaft sicherzustellen. Frauen könnten sich weigern, sich dem patriarchalen Wunsch nach angemessenem und ausreichendem Sex, aber auch nach dem Erhalt der sozialen Ordnung unterzuordnen. Frauen könnten die lebenserhaltende Arbeit des Kinderkriegens und Aufziehens der zukünftigen Generationen verweigern, die mit dem häuslichen Geschlechterkrieg untrennbar verbunden ist. Einfach indem sie überhaupt nichts täten, könnten Frauen jede westliche Gesellschaft morgen in die Knie zwingen. Und diese einfache Tatsache ist unerträglich: Frauen müssen um jeden Preis daran gehindert werden, dieses grundlegende Menschenrecht wahrzunehmen – das Recht, Nein zu sagen, die Arbeitsmittel niederzulegen, die Röcke anzuziehen und Stopp zu sagen. Ich mache nicht weiter. Ich werde nicht dienen.
Der einfachste Weg, Menschen ihr grundlegendes Recht auf Verweigerung zu nehmen, ist die Leugnung ihres Menschseins und ihrer Möglichkeiten. Und der einfachste Weg wiederum, einem Menschen sein Menschsein und seine Möglichkeiten zu nehmen, ist heute noch derselbe wie in den alten Sklavenhalterkulturen, nämlich ihm seinen Lohn vorzuenthalten.
Wir können uns weigern zu dienen, natürlich. Aber jeder, der auch nur ein winziges Stückchen des postindustriellen Geschlechterfetischs internalisiert hat, weiß, dass die Macht einer Frau zur Verweigerung auf jedem Niveau begrenzt ist. Auf dem Fleischmarkt der modernen Produktion sind die Arbeitsstunden von Frauen, genauso wie unsere Körper, Allgemeingut. Wir alle wissen doch, dass eine Frau, die Nein sagt, in Wirklichkeit Ja meint.
22 Ramos, X.,
Domestic Work Time and Gender Differentials in Great Britain 1992–1998: Facts, value judgements and subjective fairness perceptions
, Essex University, 2003
23 Davidoff, L.,
Worlds Between: Historical Perspectives on Gender and Class
, Polity Press, Cambridge, 1995
24 Taylor, D. (Hrsg.), »Life Sentence: The Politics of Housework«,
New Internationalist
, Issue 181, März
25 Ebd.
26 Ebd.
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Fazit
Die neoliberale Ablehnung des weiblichen Körpers ist ein fundamentaler Bestandteil der Arbeits- und Kapitalstrukturen, die die weltweite Produktion ermöglichen. Und das Bemühen von Frauen, ihre Körper zu kontrollieren, ist Teil derselben Unterdrückungsstruktur, die kulturelle, körperliche und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen aus der Unterschicht oder mit Migrationshintergrund, armen oder transsexuellen Frauen, Sexarbeiterinnen oder anderen Menschen, deren Leben oder Arbeit unmittelbar mit dem sogenannten Geschlechterkrieg zu tun hat, ermöglicht.
Das aktuelle Wiedererstarken feministischer Ansichten im Westen hat es bisher nicht geschafft, ein Verständnis für die politische Gesamtheit hervorzubringen, aus dem sich ein Widerstandsprogramm gegen die Unterdrückung entwickeln könnte. Ein solcher Widerstand ist möglich, aber er wird einen nachhaltigen und ernsthaften Angriff auf die soziale Grundlage der Kontrolle über die weiblichen Körper beinhalten: bei der Arbeit, bei der Hausarbeit, in der politischen Arbeit und Intimität. Das ist keine kleine Aufgabe, und auch keine, die rein auf der Basis von individueller sexueller und körperlicher Selbstermächtigung erfolgen kann.
Wir können uns die Freiheit nicht herbeivögeln. Sexualität allein und besonders Heterosexualität kann niemals ausreichen, um die komplexen Gebäude von Geld und Macht ins Wanken zu bringen. Ohne politische Agitation kann Sex immer vereinnahmt werden, sodass die Geschlechterrevolution zu einer weiteren müden Parade gut verkäuflicher binärer Stereotypen wird.
Wir können uns Freiheit auch nicht durch Shoppen erkaufen. Selbst wenn wir es letztlich schaffen, genug Schuhe, Make-up und Selbstbewusstsein schaffende Schönheitschirurgie zu kaufen, um unseren Platz auf dem Arbeitsmarkt der weiblichen Schönheit zu rechtfertigen, werden wir genau durch den Prozess der körperlichen Veränderung, der uns befreien sollte, marginalisiert.
Und wir können das System nicht alleine bekämpfen. Lernen, unser eigenes Fleisch nicht zu verachten, ist ein politisches Statement, lernen zu essen und sich selbst zu lieben und zu ernähren, ist ein lebenswichtiger Prozess für jede Frau, die in der Welt der Macht eine positive Wirkung ausüben will, aber egal wie stark wir versuchen, unsere Körper zu lieben, es wird uns nicht frei
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