Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
beinahe unnatürlich anfühlt.
Die Schäden des Vorabends halten sich in Grenzen. Ein paar Pizzakartons entsorgen, Krümel von der Arbeitsfläche wischen, Messer und ein paar Tassen spülen. Gründlich lüften.
Nur für das fehlende Marihuana wird sich so schnell keine Lösung finden.
Die Kaffeemaschine ist ein großer, glitzernd verchromter Kasten. Daniel sucht eine Weile nach dem Hauptschalter. Gerade als er ihn gefunden und gedrückt hat, schwappt Musik aus dem Wohnzimmer zu ihm hinüber. Daniel zieht in Erwägung, die Kaffeemaschine sei vielleicht mit der Stereoanlage gekoppelt, futuristisch genug sieht sie aus, aber dann ist es doch nur Mick, der aus dem Wohnzimmer kommt und eine CD-Hülle in der Hand hält.
„Musikalisch hat er es echt nicht drauf, der Krüger“, sagt er. „Lauter so psychedelischer Kram. Hippie-Musik. Furchtbar.“
„Immerhin eine Stones-Scheibe“, erinnert Daniel ihn. „Von gestern Abend.“
„Das ist aber auch die einzige“, sagt Mick düster.
„Was hast du jetzt reingelegt?“
„Led Zeppelin. Das ist so einigermaßen erträglich. Wie sieht’s mit Kaffee aus?“
„Keine Ahnung. Hier steht aufheizen . Soll man das jetzt machen, oder macht die das selbst? Muss da irgendwo heißes Wasser rein?“
„Nee, lass mal. Die macht das selbst. Wir haben so ein ähnliches Ding.“
„Warum wundert mich das nicht.“
„Huh?“
„Ihr habt alles, was teuer ist, oder?“
„Nicht alles. Wir haben zum Beispiel kein Familienleben.“
Überrascht sieht Daniel von der Kaffeemaschine auf, aber Mick hat sich schon abgewandt und durchstöbert die Küchenschränke. Seine Stimme hat ganz normal geklungen, beinahe beiläufig. Daniel starrt Micks Rücken an und wüsste gerne, ob die Bemerkung eine Aufforderung war, ob von ihm jetzt erwartet wird, irgendwie darauf einzugehen, aber dann hat Mick schon Tassen gefunden und zwei aus dem Schrank geholt und irgendwie bringt Daniel es nicht über sich, ein so privates Thema wie Familie anzuschneiden.
„Was hörst du eigentlich so für Musik?“, will Mick wissen, während die Kaffeemaschine gurgelnd zum Leben erwacht und heißes Wasser durch ein Gitter in eine flache Schale spuckt.
Daniel richtet sich vorsichtig auf. Okay. Also keine privaten Themen.
„Stimmungsabhängig“, sagt er zögernd. „Eher so ältere Sachen. Bisschen Punkrock, bisschen Jazz. Filmmusik, manchmal.“
Mick lächelt flüchtig und Daniel stellt erstaunt fest, dass Mick ein hübsches Lächeln hat. Beinahe mädchenhaft, aber dann doch ganz anders als ein Mädchen.
„Breite Palette“, sagt Mick anerkennend.
„Wäre doch sonst langweilig“, sagt Daniel.
Mick nickt und stellt eine Tasse auf das Gitter. Ein Knopfdruck und die Maschine bricht in einen höllischen Lärm aus, der allerdings schließlich zu einer Tasse Kaffee führt.
„Viele Leute hören immer nur den selben Scheiß“, sagt er.
„Kann sein.“
„Kennst du Apocalyptica? Eine Band aus Finnland. Die machen Hardrock mit Cellos.“
„Nein. Nie gehört.“
„Warte mal.“ Mick verschwindet aus der Küche. Das psychedelische Gedudel im Wohnzimmer verstummt. Daniel nimmt die Tasse und probiert einen Schluck. Der Kaffee ist heiß und bitter und so stark, dass Daniel vermutlich für die nächsten vierzehn Tage auf Schlaf verzichten kann. Milch wäre gut, aber es ist keine im Kühlschrank.
Dann kommt Mick zurück und hat seinen MP3-Player dabei.
„Hier“, sagt er und hält Daniel einen der beiden Lautsprecherstöpsel hin. Daniel nimmt ihn und steckt ihn ins Ohr. Das Kabel ist nicht besonders lang, deshalb muss er sich zu Mick hinüber lehnen. Mick riecht nach Rauch und ein wenig nach Schweiß. Trotzdem nicht unangenehm.
Mick drückt auf dem kleinen MP3-Player herum und plötzlich hat Daniel Musik im Ohr.
Die Melodie nimmt ihn gefangen: Traurig und getragen, Cellos und ein Schlagzeug, nicht wirklich eine Wahl, die er bei einem trotzigen Lederjackentypen wie Mick erwartet hätte.
Daniel blinzelt zu Mick hinüber. Mick sieht ganz versunken aus, sein Gesicht ist weich, entspannt. Er wippt sachte im Takt und plötzlich denkt Daniel, dass für Mick die Musik vielleicht gar kein Allerweltsthema ist, dass es ihm etwas bedeutet, Daniel diese Musik vorzuspielen. Immerhin ist Mick Mitglied in einer Band, Keyboard oder Gitarre oder so etwas, Daniel erinnert sich dunkel an einen Auftritt der Band im letzten Sommer. Wie hießen die noch …? Irgendwas Englisches.
Egal. Musik muss also irgendwie wichtig sein
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