Flitterwochen auf Dream Island
sie mit seinen faszinierenden Augen ansehen würde.
Verzweifelt schüttelte Isabel den Kopf. Sie hatte sich immer wieder in die falschen Männer verliebt, in Draufgänger und charmante Verführer, die jenes unerschütterliche Selbstbewusstsein ausstrahlten, das sie, Isabel, so unwiderstehlich anzog. Natürlich wusste sie anfangs nicht, dass es die Falschen waren. Isabel fand die Männer interessant und aufregend. Erst nachdem sie einige Male schwer enttäuscht worden war – besonders nach der katastrophalen Erfahrung mit Hal –, wurde ihr klar, dass sie kein gutes Urteilsvermögen besaß, was das andere Geschlecht anging. Sie verlor ihr Herz immer an die falschen Männer: an Versager und Lügner. Mit Ende zwanzig hatte Isabel eine Art Warnsystem entwickelt: Immer wenn sie sich unwiderstehlich zu einem Mann hingezogen fühlte, wusste sie, dass es garantiert der Falsche für sie war.
Deshalb musste sie auch Rafe Saint Vincents Charakter nicht genau kennen. Es genügte, ihn anzusehen. Les hatte ihr zwar einiges über ihn erzählt: dass er Junggeselle war und ein erstklassiger Fotograf. Doch in Isabels Kopf hatten die Alarmglocken geschrillt, als sie Rafe das erste Mal gesehen hatte. Der Dreitagebart, das schwarze Outfit und der Ohrring sprachen Bände, ebenso die Tatsache, dass er in einem zweigeschossigen Haus im zentrumsnahen Stadtviertel Paddington lebte. Ganz offensichtlich war Rafe ein moderner Junggeselle, in dessen Leben beruflicher Erfolg und Vergnügungen an erster Stelle standen. Ein Mann wie er würde niemals eine Kuh kaufen, solange er die Milch umsonst bekommen konnte, dachte Isabel ironisch. Rafe war zwar kein Betrüger oder Krimineller, wie Hal es gewesen war. Doch für eine Frau, die heiraten wollte und sich sehnlichst Kinder wünschte, war es die reine Zeitverschwendung, sich mit ihm abzugeben.
Eigentlich waren bisher alle Männer in Isabels Leben in dieser Hinsicht Zeitverschwendung gewesen. Aus diesem Grund hatte sie mit dreißig Jahren – noch immer unverheiratet und ohne Kinder – beschlossen, bei der Suche nach ihrem zukünftigen Ehemann nicht auf ihr Herz zu hören, sondern auf ihren Verstand. Und das hatte sie auch getan.
Isabel wusste, dass sie mit Luke sehr glücklich werden könnte. Aber der letzte Mann, den sie bei der Hochzeit in ihrer Nähe haben wollte, war Rafe Saint Vincent. Doch sie brauchte unbedingt einen Fotografen. Und wie sollte sie ihrer Mutter erklären, dass sie ihn nicht engagiert hatte? Das Argument mit den Schwarz-Weiß-Bildern würde nicht ausreichen. Isabels Mutter liebte Schwarz-Weiß-Fotos – vermutlich aus nostalgischen Gründen. Sie war schon siebzig Jahre alt. Isabel war sozusagen das Ergebnis der zweiten Flitterwochen, die Doris Hunt im Alter von vierzig Jahren mit ihrem Ehemann gemacht hatte.
Nein, ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als den unwiderstehlichen Rafe Saint Vincent zu engagieren. Und was war schon so schlimm daran, in der Hochzeitsnacht von einem anderen Mann zu träumen? Isabel hatte nicht vor, Luke davon zu erzählen. Er würde es also nie erfahren – wie so viele andere Dinge, die sie vor ihm geheim hielt.
Wieder betrachtete sie die Fotografien an der Wand. Diesmal ließ sie sich mehr Zeit. Die Bilder waren sehr erotisch. Viele der Models waren fast nackt, doch durch die dezente Beleuchtung und ein raffiniertes Spiel mit Licht und Schatten konnte der Betrachter nur dann und wann einen Blick auf die Brust oder eine andere Rundung erhaschen.
Isabel war fasziniert und hätte die Fotos stundenlang ansehen können. Doch als sie Schritte sich nähern hörte, wandte sie den Blick ab. Schnell nahm sie ihr Handy aus der Tasche, wählte die Nummer ihrer Eltern und wartete ungeduldig, dass sich jemand meldete. Rafe kam mit einem Becher dampfendem Kaffee herein.
Isabel versuchte, ihn nicht allzu auffällig anzusehen. Doch sie konnte sich nicht davon abhalten, ihm einige kurze Blicke zuzuwerfen, während er sich wieder auf das dunkelblaue Sofa setzte. Er sah einfach fantastisch aus: groß und muskulös, aber schlank. Er war nicht im klassischen Sinne schön, aber äußerst attraktiv – und sehr sexy.
“Ja?” Endlich meldete sich ihre Mutter. Sie klang etwas außer Atem.
“Ich bin es, Mum.” Isabel war selbst erstaunt, wie gelassen sie klang, obwohl ihr Herz zum Zerspringen schlug.
“Schön, dass du noch anrufst, bevor wir in den Club fahren, Isabel. Wie lief die Besprechung mit Mr. Saint Vincent?”
“Gut. Ich bin zufrieden.” Isabel
Weitere Kostenlose Bücher