Flöte und Schwert
Schacht. Omar fühlte Hitze in seinem Rücken, dann Schmerz. Panisch schlug er nach den Flammen. Als es ihm nicht gelang, das brennende Wams zu löschen, wälzte er sich auf dem Boden. Die Feuersäule war zum Leben erwacht: Rote und orangefarbene Zungen leckten zur Decke, der Spalt wuchs in die Breite. Omar zerriss sein Wams, streifte es ab. Er kroch von der Feuersäule fort und kam auf die Beine.
Bahir rang mit dem Dämon. Mit einer Geschmeidigkeit, die Omar ihm niemals zugetraut hätte, tauchte er unter dem Kopf seines Gegners hindurch, umschlang dessen Leib mit beiden Armen und drückte ihn nach unten. Brüllend bäumte sich der Dämon auf, und Bahir ließ sich fallen, um nicht an der Gewölbedecke zerschmettert zu werden.
Die Kiste!
, dachte Omar,
ich muss die Kiste finden!
Er entdeckte sie an der Wand. Sie war umgekippt, der Sand hatte sich auf dem Boden verteilt. Omar hastete durch den Raum. Als er die Kiste fast erreicht hatte, wurde der Dämon auf ihn aufmerksam. Das Maul schoss auf ihn zu, er duckte sich, stürzte.
Jetzt sterbe ich
, dachte er – bevor sich Bahir dem Dämon entgegenwarf. Omar nutzte die Gelegenheit und nahm die Kiste an sich. Sie war noch zur Hälfte mit Sand gefüllt. Schmerz und Erschöpfung ließen jeden Schritt zur Qual werden. Die Kupferbecken erschienen ihm unendlich weit entfernt!
Bahir schrie auf, und Omar musste sich zwingen, weiterzugehen, sich nicht umzudrehen.
Noch sechs Schritte, fünf, vier. Das Portal glühte wie das Auge einer riesigen Raubkatze.
Omar hob die Kiste an. Sand rieselte in das Becken und erstickte die Flammen.
Nun brannte nur noch ein Feuer. Der Sand reichte nicht aus, es zu löschen, und Omar stürzte das Becken um. Flüssiges Feuer ergoss sich über den Boden. Das Brüllen des Dämons wurde schrill, er ließ von Bahir ab und schlängelte sich durch das Gewölbe.
Omar kippte auch die anderen Becken um. Ölgetränkter Sand begrub den Flammenteich unter sich. Das Portal verwandelte sich in einen Wirbel aus Feuer und Dunkelheit. Flammen brachen aus der Schuppenhaut des Dämons hervor, hüllten ihn ein, verwandelten seinen Leib in einen Strang aus Feuer, der in das Portal gezogen wurde. Omar wich in eine Ecke des Gewölbes zurück und machte sich dort so klein wie möglich, presste die Hände auf die Ohren, doch noch immer war das Gebrüll lauter als der Kampfschrei einer ganzen Heerschar. Elle um Elle wurde der Dämon verschlungen, dann erstarb sein Brüllen, und das Portal schrumpfte zusammen, zerplatzte. Omar riss die Arme vors Gesicht, um sich vor dem Funkenschauer zu schützen.
Als er die Augen wieder öffnete, war alles dunkel und still. Einen Herzschlag lang fürchtete er, durch das Portal in die Unterwelt gestürzt zu sein, dann spürte er die Wand in seinem Rücken. „Bahir?“, rief er zaghaft.
Ein Rascheln erklang, vielleicht das Knistern von Kleidung, gefolgt von unregelmäßigen Schritten.
Omar stand auf. Erst jetzt spürte er, dass jegliche Kraft seinen Körper verlassen hatte. In den letzten Minuten hatten ihn nur noch Furcht und Willenskraft aufrecht gehalten. „Ich bin hier“, sagte er, als die Schritte und der schwere Atem näher kamen. „Bist du verletzt?“
„Bahir gutt“, sagte der Hüne, und Omar spürte, wie sich dessen Arme um ihn schlossen.
„Hab Erbarmen mit mir!“, keuchte er, als der Schmerz seiner Brandwunden bei der Umarmung aufflammte.
Bahir machte keine Anstalten, ihn loszulassen. „Omarrr“, murmelte er, „Omarrr.“
Omar lächelte, trotz Schmerz und Erschöpfung.
Es war das erste Mal, dass der Hüne seinen Namen ausgesprochen hatte.
Sie kletterten über die Trümmer der Wendeltreppe nach oben. In einer Truhe im großen Gemach fand Omar ein Wams, das ihm einigermaßen passte. Alles in ihm schrie danach, sich in die Kissen zu werfen und zu schlafen, tagelang nur zu schlafen. Aber er durfte hier nicht verweilen. Bald würden sich die ersten Soldaten und Diener aus ihren Verstecken hervorwagen. Sowie sie begriffen hatten, dass der Dämon fort war, würde die Suche nach einem Schuldigen beginnen. Omar hatte nicht die Absicht, dann noch in der Nähe der Burg zu sein.
Der Hof war menschenleer. Auch die Bogenschützen waren nicht mehr zu sehen. Als Omars Blick auf das Küchengebäude fiel, fragte er sich, was aus Amre geworden war. Er hoffte, dass der Ägypter überlebt hatte. Denn den Tod hatte er nicht verdient, trotz allem, was er getan hatte.
Wenig später passierten sie das Tor. Gedankenverloren
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