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Florian auf Geisterreise

Florian auf Geisterreise

Titel: Florian auf Geisterreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: oliver Hassencamp
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deiner Stelle würde ich mir mal Gedanken darüber machen, wo das hinführt, wenn man so egoistisch in den Tag hineinlebt wie du!“
    Die Mutter war sprachlos. „Du... du...“stammelte sie mitten auf der Treppe.
    „Entschuldige!“ sagte Florian. „Ich hab nur ausprobiert, ob das geht, zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Es geht nicht! Auch nicht durch die Nase. Sie kommen zum Mund raus. Und da muß man noch nachhelfen!“
    Ratlos tastete sie nach ihrer Frisur, die fest war, als sei sie glasfaserverstärkt. „Bei dir ist Hopfen und Malz verloren!“
    Schon war er drauf und dran, nachzuprüfen, wo sich der Hopfen und das Malz bei ihm wohl befinden könnten. Im Magen, vermutete er — und gab sofort auf. An den durfte er jetzt nicht einmal denken! Doch zu spät! Gerade noch rechtzeitig erreichte er die gesuchte Tür. Sekunden später war ihm wohler. In der Küche fand er die Mutter wieder.
    „Hier!“ Sie deutete auf eine Tüte. „Davon machst du dir einen Tee. Und den trinkst du. Langsam und ohne Zucker! Ich gehe wieder. Du hast mir das Fest schon genug verdorben.“ Sie verließ die Küche.
    An der Wohnungstür dreht sie sich noch einmal um! dachte Florian.
    Sie tat es — wie ein braves Medium — und sagte: „Leg dich hin. Du brauchst jetzt Ruhe. Und denk mal darüber nach, wieso dir nur dann immer schlecht wird, wenn wir in der Familie feiern!“
    Gar kein schlechter Gedanke! dachte er. Manchmal hat sie lichte Momente! Versöhnlich gestimmt, machte sich Florian sogar den Tee und legte sich in seinem Zimmer aufs Bett. Im Magen gurgelte es noch, wie ein abklingender Vulkan. Da ihm nichts mehr weh tat, konnte er das Übel ungestört einkreisen.
    Was habe ich gegessen? Was habe ich getrunken? Wann hat es angefangen?
    Am Kaviar lag’s nicht. Gern hätte er einmal probiert, wie der schmeckt, doch bis er ans Büfett vorgedrungen war, stand eine leere Schüssel auf Eis. Vor allem die Alten hatten schwer zugegriffen. Es waren sehr viele Alte da, nicht nur Verwandte, auch Schulkameraden von Großvater und Großmutter, die mit ihnen das Abitur vor mehr als fünfzig Jahren gemacht hatten und sich sehr albern benahmen. Richtig kindisch.
    Daß sie eine dicke alte Frau „Dackel“ nannten, mochte noch angehen. Die schaute wirklich so in die Gegend. Auch „Zeppelin“ für eine Bohnenstange mit Brille ließ er sich gefallen — eben ein Zeppelin, bei dem die Luft raus war — , aber diese Weißhaarige, die am Stock ging und immer so schrill lachte, wieso nannten sie die „Mata Hari“?
    „Mata Hari war eine berühmte Tänzerin und Spionin im ersten Weltkrieg!“ hatte Onkel Bruno ihn aufgeklärt. „Die echte, natürlich!“
    Und dann sang sie auch noch, diese falsche Mata Hari! Mit Zeitlupenvibrato wie ein alter Wecker!
    War ihm da schlecht geworden? Nein. Da war ihm schon schlecht. Plötzlich kannte Florian den genauen Zeitpunkt. Onkel Bruno hatte zu seinem Vater eine abfällige Bemerkung über Tante Thekla gemacht, der Vater hatte sich ähnlich geäußert, und beide fanden sich sehr komisch. Besonders, als Florian die Tante verteidigte, schütteten sie sich aus vor Lachen. Ob er an den Quatsch glaube? Thekla sei doch eine Scharlatanin!
    „Davon verstehst du nichts!“ hatte Florian seinen Vater angefahren, worauf der ihm jedes weitere Wort verbot.
    War’s nicht an Weihnachten ähnlich gewesen? Auch was mit Tante Thekla? Und am Geburtstag?
    Genugtuung verschaffte ihm seine Kombination indes nicht. Wie konnte mir das so auf den Magen schlagen? fragte er sich. In der Klasse galt er als einer der Härtesten, und in der ganzen Franz-Joseph-Schule als der überragende 400-Meter-Läufer. Schon dreimal hatte er über diese Distanz gegen Burg Schreckenstein gewonnen!
    Trotzdem gab es da einen Zusammenhang. Zwei sogar. Seine mediale Begabung. Oder Tante Thekla steckte höchstpersönlich dahinter! Sie konnte Menschen fernlenken. Sie brauchte sich nur auf einen zu konzentrieren, und schon tat der, was sie wollte. Ob er nun in der Nähe war oder kilometerweit weg, spielte keine Rolle.
    Immer deutlicher fühlte Florian: Tante Thekla steckte dahinter! Sie hatte ihn von dem Fest befreien wollen, wo er sich langweilte, und sie wollte auch seine Eltern ärgern, weil die schlecht über sie sprachen. Für übersinnlich Begabte ist üble Nachrede besonders schädlich.
    Florian schloß die Augen und konzentrierte sich. Jetzt darf ich nichts wollen, dachte er. Ich muß ganz ruhig sein und abwarten, was von innen

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