Florian der Geisterseher
gesagt: Der Lehrer ist krank. Er weiß es nur noch nicht!“
„Na bitte!“ Schrill lachte Lehrer Hempel. „Er kann Realität und Spinnerei nicht mehr auseinanderhalten. Ich verstehe die Eltern nicht!“ Er wandte sich wieder an Florian: „Du gehst jetzt nach Hause und steckst am besten den Kopf unters kalte Wasser!“
„Nein“, widersprach Florian. „Sie müssen das ernst nehmen, Herr Hempel!“
„So weit kommt’s noch!“ Erregt ging der Lehrer auf und ab. „Wenn du denkst, du kannst dich um deine Strafe herumdrücken, indem du mir bange machst, hast du dich geirrt.“
„Nein!“ Florian stampfte mit dem Fuß auf. „Das hat meine Tante gesagt. Bestimmt!“
„Wo ist denn diese Hellseherin?“ erkundigte sich der Arzt.
„Gar nicht weit von hier“, antwortete Florian.
„Madame Thekla?“ fragte der Arzt.
Florian nickte.
„Kennen Sie sie?“ fragte Frau Hempel.
Jetzt nickte der Arzt. „Sie gilt als sehr seriös.“
Florian hätte ihm am liebsten einen Rippenstoß gegeben, so freute er sich.
Lehrer Hempel dagegen geriet vollends aus dem Häuschen. „Fangen Sie auch noch an? Das sind doch Phantastereien von dem Jungen.“
„Das läßt sich sehr leicht feststellen“, antwortete der Arzt.
Der Lehrer sah ihn grimmig an. „Sie wollen doch nicht etwa...?“
„Doch, Rüdiger, bitte!“ flehte Frau Hempel. „Jetzt bin ich auch beunruhigt.“
„Du machst auf jeden Fall, daß du rauskommst!“ brüllte der Lehrer und deutete zur Tür.
Diesmal widersprach Florian nicht. Bei der Untersuchung mußte er wirklich nicht dabeisein . Hauptsache, sie fand statt. Auf der Treppe, die abwärts eine gute Lockerungsübung darstellte, war er auch seelisch entspannt. Jetzt ging alles seinen Gang. Der Gedanke, Tante Thekla könnte sich geirrt haben, kam ihm überhaupt nicht. Lässig schwang sich Florian aufs Rad.
„Was hat er denn gesagt?“ fragte jemand hinter ihm. Er fuhr herum. Jens, sein Freund, und Uwe standen da.
„Wer soll was gesagt haben?“ fragte Florian zurück.
„Na, Hempel!“ antwortete Uwe. „Der wohnt doch hier.“ Prüfend sah Florian ihn an. „Seit wann weißt du denn das?“
„Wir waren heute auch schon da. Er hat uns bestellt.“
„Er wollte noch mal alles genau wissen“, ergänzte Jens. „Wie wir an die Arbeit gekommen sind. Ob du sie uns von dir aus gegeben hast, oder ob wir uns darum bemüht haben. Wir haben dich jedenfalls schwer verteidigt...“
„So“, sagte Florian. „Und warum seid ihr immer noch da?“
„Wir wollten sehen, wen er noch bestellt hat“, gab Uwe Auskunft. „Wir waren ja schon vor zwei Stunden bei ihm. Nach uns kamen Jörg und Pitt und dann Wolfram allein.“
„Nun sag schon, was er dir gesagt hat!“ unterbrach Jens.
Florian erwiderte: „Auch von mir wollte er alles noch mal genau wissen. Ich habe euch jedenfalls schwer verteidigt.“ Er schwang sich in den Sattel und ließ die beiden stehen.
Wenn Hempel so hintenherum fragt, dann fühlt er sich nicht sehr sicher! kombinierte Florian. Doch seine gerade gewonnene Gelassenheit wurde er schnell wieder los. Zu Hause saß Onkel Bruno. Jetzt trumpfte er natürlich auf.
„Eine Scharlatanin ist sie! Wie ich dir gesagt habe. Du bist drauf reingefallen. Obwohl ich dich gewarnt und alles mit dir genau besprochen habe, hast du dich von ihr einseifen lassen! lind jetzt fliegst du von der Schule.“
Florian blieb ganz ruhig. Er verteidigte sich nicht, sondern sah den Onkel nur an.
Onkel Bruno hielt seinen Blick. Aber sein Ausdruck veränderte sich. Er wurde milder, ein Lächeln machte sich breit. Bis er herausplatzte: „Junge! Ich glaub... Bist du... Du hast...du hast sie mit Absicht reingelegt? Damit wir sie überführen können! Das...das ist ja großartig! Wie konnte ich nur eine Sekunde zweifeln! Genau das war mein Plan. Du hast ihn ausgeführt. Und niemand was verraten! Nicht mal deinen Eltern. Hast alles auf dich genommen. Jetzt gehen wir zu deinem Lehrer. Sofort! Wir beide. Und ich werde ihm sagen, was für ein toller Bursche du bist! Und dann gehen wir zur Polizei und erstatten Anzeige gegen Thekla. Mensch, Junge! Das ist der schönste Tag seit Jahren!“ Er legte den Arm um Florian.
Die Eltern atmeten auf. „Aber Flori ! Warum hast du das nicht gleich gesagt?“ fragte die Mutter.
„Weil’s nicht stimmt“, antwortete er. „Wenn ihr Tante Thekla anzeigen wollt, müßt ihr euch einen anderen suchen. Ich weiß, daß sie recht hat. Und das werde ich euch beweisen. Schon morgen!“
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