Florian und das Geisterhaus
aufbewahrt werden muß, um nicht zur Unansehnlichkeit zusammenzuschrumpfen.
Da kommt Papa zu einer Betrachtung, die den Sohn im Filippo-Pelz aufhorchen läßt.
„Weißt du, was ich bedaure, Filippo?“ sagt er. „Daß mein Sohn Florian nicht dabei war! Ihm fehlt mal ein richtiges Abenteuer. Die sind in unserer Zeit ja dünn gesät.“
Wenn du wüßtest, Papa! denkt Florian und schaltet sich in das Gespräch ein.
„Wenn ihr Sohn so viel Freiraum braucht, wär eine Höhle nicht ganz das richtige!“ läßt er sein Taxi sagen. „Vielleicht erlebt er Abenteuer anderer Art, wo er so sensibel ist.“
„Da kannst du sogar recht haben, Filippo!“ meint der Vater nachdenklich. „Wir haben nämlich eine Verwandte, die Hellseherin ist. Zu der treibt es ihn immer. Sie hat ihm den Floh ins Ohr gesetzt, er sei übersinnlich begabt. Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Geisterwirtschaft halten soll.“
Das muß ich gleich klären! denkt Florian. Die Gelegenheit kommt nicht wieder! Und er sagt: „Das können wir gleich klären, wenn wir zurück sind. Meine Mutter heißt in der Gegend Teresa, die Kartenlegerin. Die kann uns das sagen. Sie hat immer recht.
Der Vater nickt, doch an seinen Augen sieht Florian, daß er an etwas anderes denkt. „Noch eins“, sagt er. „Von dem Kampf mit dem Kraken erzählen wir nichts. Wir sind getaucht und haben den Arm gefunden. Alles andere würde meine Frau nur unnötig aufregen.“
„Geht in Ordnung“, antwortet Filippo, und Florian denkt: Angeber ist er keiner. Nur fällt damit auch das Lob für mein Taxi unter den Tisch!
In diesem Augenblick sagt Papa: „Aber du darfst dir was wünschen. Überleg dir mal, was dich besonders freuen würde. Das kaufen wir dann zusammen.“
Sehr gut, Papa! freut sich Florian. Was könnte sich mein Taxi wohl wünschen? Ein Fahrrad? Ein Radio mit Recorder? Fußballschuhe?
Filippo weiß sofort, was er will, und Florian muß schnell die Konzentration verlagern und beim Satzbau helfen. „Eine Angel. Eine richtige mit langer Schnur. Dann kann ich besser Fische fangen und sie verkaufen...“
Natürlich! denkt Florian. Daß ich da nicht drauf gekommen bin! Er braucht keinen Zeitvertreib, sondern was Nützliches. Weil er arm ist.
Filippo strahlt, daß die weißen Zähne blitzen, und in der Phantasie schon im Besitz des Gewünschten, fängt er an zu singen — ein fröhliches Fischerlied — , singt, bis sie anlegen. Am Steg ist niemand mehr. Keine Adelheid, um ein Foto mit dem Souvenir zu machen. Aber Mama winkt aus einem Liegestuhl. Sie ist allein, steht auf und kommt ihnen, aufgeregt mit den Armen fuchtelnd, entgegen.
„Filippo. Filippo! Du sollst sofort nach Hause kommen!“
„Ist was passiert?“ fragt Florian aus seinem Taxi.
„Ich weiß nicht“, antwortet Mama. „Deine Mamma hat mir nur gesagt, ich soll dich sofort zu ihr schicken. Sie fühlt sich nicht ganz wohl.“
Schmerzhaftes Doppelleben
So lehrreich es sein mag, in einem Taximenschen zu stecken, so kraftraubend ist es in Anwesenheit der eigenen Familie. Die ständige Verlagerung der Konzentration strengt mehr an als zwei Stunden Mathematik hintereinander bei Lehrer Hempel. Ständig glaubt man, ertappt zu werden, weil das Ich die phantastische Tarnung durch das Taxi nicht begreifen will und gewohnheitsmäßig reagiert, das heißt, als stecke es in dem Körper, in den es gehört.
Wenn dann die Eltern noch Ähnlichkeiten zwischen Fischerjungen und eigenem Sohn feststellen, wird die Verwirrung komplett und jede Reaktion zur Rechenaufgabe. Gewiß, welcher Sprößling möchte nicht einmal hören, wie die Eltern über ihn reden, wenn er nicht dabei ist, in diesem Fall ohne den eigenen Körper. Nun ist es ja der Geist, der den Körper bildet, wie das Sprichwort sagt, und es stimmt. Sogar das Taxi wird einem immer ähnlicher, immer gemäßer, je besser man es beherrscht. Das wiederum steigert instinktiv die Furcht vor Entdeckung und macht den Fahrgast im Taxi zum Gejagten. Zwar ohne jeden vernünftigen Grund, doch die Vernunft kann den Geist nicht überzeugen, daß er im Taxi unerkennbar bleiben muß. Der Umstieg in einen fremden Körper gilt als unmöglich, das — so heißt es — spotte jeder Vernunft. Womit bewiesen wäre, gemäß Florians Kombination, daß Vernunft nicht ausreicht, um alle Phänomene zwischen Himmel und Erde zu verstehen.
Äußerlich waren es Filippo und seine dicke Mutter Teresa, die am Küchentisch beim Essen saßen, innerlich aber waren es Tante Thekla und
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