Florian und das Geisterhaus
leuchtet es an.
Sein Souvenir. Typisch! denkt Florian. Immer bringt er irgendwelches Zeug mit. Einen Scherben, der angeblich von einer Amphore stammt, eine Muschel, eine Versteinerung.
Was Papa diesmal in den Lichtkegel hält, ist nichts von alledem, ist größer, sperriger: ein Brustbein mit mehreren Rippen und, wie Florian feststellt, vermutlich von einem Menschen.
Ganz schön makaber! denkt das halbe Prozent im Taxi. Und Filippo hat noch immer Luft! Bin nur froh, daß ich nicht den eigenen Körper dabeihabe. Diese Taucherei ist nicht mein Fall!
Plötzlich bewegt sich etwas rasend schnell; die Lichtquelle sinkt nach unten, leuchtet aber nach oben, als habe jemand dem Vater die Lampe aus der Hand geschlagen.
Filippo schwimmt zu ihm und holt sich das Mundstück für einen Schluck Luft. Wieder saust etwas wie ein Peitschenschlag durch den Lichtkegel, etwas Helles, Armdickes, schlingt sich um ein Bein des Vaters, zieht ihn hinunter. Alles schaurig-lautlos im Schein der Lampe, die glücklicherweise so gelandet ist, daß sie nach oben leuchtet. Im Dunkeln könnte Filippo nicht helfen.
Florian würde das Herz stehenbleiben, hätte er’s dabei. Sein Taxi aber behält kühles Blut. Dieser Filippo hat Nerven wie Schiffstaue und erlebt eine solche Situation nicht zum erstenmal . Wie er Florian durch Schwingungsimpulse wissen läßt, ist ihm klar, um was es sich hier handelt. Ein Krake hat mit einem seiner Arme nach Vater gegriffen. Deswegen wird die Sarazenenhöhle vom Tauchtourismus gemieden. Es heißt zwar, in dieser Gegend gebe es keine Kraken, doch mit Ausnahme der Sarazenenhöhle. Und das stimmt offensichtlich. Im schmalen Lichtkegel tobt ein lautloser, erbitterter Kampf.
Verzweifelt versucht Papa den Schlangenarm loszuwerden. Doch die Saugnäpfe halten ihn bombenfest. Und da schlängelt sich ein weiterer Krakenarm zu Papa, ringelt sich um den Luftschlauch wie um eine Bohnenstange.
Filippo, dessen Pulsschlag nicht einmal anzieht — das vor allem würde sich sofort auf Florian übertragen, weil Angst körperlich und geistig empfunden wird — , Filippo faßt seine belächelte Ausrüstung, sein Messer am Stiel, mit beiden Händen und führt es eiskalt und genau gezielt im Licht des Scheinwerfers. Unmittelbar neben dem Luftschlauch, den abzuquetschen sich das Ungeheuer gerade anschickt, als wüßte es, hier den Lebensnerv des Tauchers erwischt zu haben, trennt er den Arm ab und gleich darauf den zweiten um Vaters Bein. Hastig greift er selber nach dem Luftschlauch, faßt Papa, der nicht weiß, wie ihm geschieht, mit der Hand, die den Stiel hält, am Kinn, damit er das Mundstück freigebe und tankt einen Schluck Luft. Es war höchste Zeit. Mit ruhigen Bewegungen jetzt schiebt er ihm das Mundstück wieder zwischen die Zähne, schwimmt hinunter, um die Lampe aufzuheben. Im Lichtstrahl will er Papa vorausschwimmen lassen, zum Eingang zurück.
Doch auch sein Vater beweist Nerven, wie man sie zum Tauchen eben braucht. Er winkt ab und deutet zum Grund hinunter. Der Zwischenfall treibt ihn nicht schnellstens fort von hier, jedenfalls nicht ohne Souvenir. Filippo hat begriffen und leuchtet hinunter, wo die abgetrennten Krakenarme liegen. Papa hebt sie auf, hält sie nebeneinander, nimmt den längeren, rollt ihn zusammen und steckt ihn in das Netz, das an seinem Gürtel hängt.
Wieder fuchteln beide italienisch mit Armen und Händen.
Papa gibt Filippo noch einmal das Mundstück, dann erst verlassen sie mit kleinen Flossenbewegungen die Höhle.
Mannometer ! Florian weiß jetzt, daß man auch ohne Lunge aufatmen kann.
Die beiden Taucher müssen damit warten, bis sie an der Wasseroberfläche erscheinen. Körper machen alles langsamer und schwerfälliger. Das weiß Florian. Er hat sich in seinem Taxi bis zu vierzig Prozent breitgemacht, denn jetzt wird es viel zu reden geben, und da muß er wieder Satzbau liefern ; das, was Filippo sagen möchte, in korrektes Deutsch übersetzen. Aber Filippo sagt nicht viel. Er käme auch nicht dazu, weil Papa dauernd redet. Zuerst bedankt er sich für die Hilfe, wobei er den Zwischenfall noch einmal aus seiner Sicht schildert. Im Unterbewußtsein habe er mit so was gerechnet, sagt er. Kraken bevorzugen geschützte Plätze. Dann lobt er das einfache Gerät, das Messer am Stiel und Filippos saubere Arbeit.
Florian schaut ins Netz. Hier an der Luft, in vertrauter Umgebung wirkt der Krakenarm viel kleiner, eher wie ein etwas zu dick geratener Aal mit Warzen — ein Souvenir, das in Spiritus
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