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Flossen weg

Flossen weg

Titel: Flossen weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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bis auf dreißig Meter herangekommen waren, nahm Nate Gas weg und hielt das Boot in Position. Noch einmal blies der Wal, und sie waren so nah dran, dass sie etwas von dem Sprühnebel abbekamen. Er stank nicht nach Fisch und Mundgeruch wie die Wale, mit denen man es in Alaska zu tun hatte. Buckelwale fraßen nichts, wenn sie vor Hawaii waren.
    Der Wal zeigte seine Fluke, und Amy schoss zwei Bilder mit der Nikon.
    »Braver Junge«, sagte Amy zu dem Wal. Sie drückte ihre Stoppuhr.
    Nate stellte den Motor ah, und das Boot schaukelte in der sanften Dünung. Er warf das Hydrophon über Bord, dann drückte er den Aufnahmeknopf am Rekorder, der mit einem elastischen Band am Pult befestigt war. Amy legte die Kamera auf den Sitz vor dem Pult, dann nahm sie ihr Notizbuch aus der wasserdichten Tasche.
    »Er ist bei genau sechzehn Minuten«, sagte Amy, checkte die Tauchzeit, hielt sie in ihrem Notizbuch fest und schrieb Zeit und Bildziffern auf den Film, den sie eben verschossen hatte. Nate las ihr die laufende Nummer vom Rekorder vor, dann Längen- und Breitengrad vom tragbaren GPS-Gerät. Amy legte die Aufzeichnungen weg, und sie lauschten. Diesmal waren sie nicht direkt über dem Wal, konnten ihn aber aus den Lautsprechern des Rekorders singen hören. Nate setzte seine Kopfhörer auf und lehnte sich zurück.
    So war das mit der Feldforschung. Augenblicke frenetischer Aktivität, gefolgt von endlosen Phasen des Wartens. (Nates erste Ex-Frau hatte einmal angemerkt, das sei in ihrem Sexualleben auch nicht anders gewesen, aber da waren sie schon nicht mehr zusammen, und sie hatte ihm nur eins auswischen wollen.) Im Grunde war es mit dem Warten vor Maui nicht so schlimm … zehn, fünfzehn Minuten am Stück. Als er im Nordatlantik über Glattwale geforscht hatte, musste Nate manchmal wochenlang warten, bis er einen Nordkaper fand, den er beobachten konnte. Normalerweise nutzte er die Tauchzeit, um darüber nachzudenken, ob er sich nicht besser einen richtigen Job hätte suchen sollen, einen, bei dem man auch Geld verdiente und die Wochenenden frei hatte, oder wenigstens irgendwas, bei dem die Ergebnisse seiner Arbeit greifbarer waren, wie etwa beim Versenken von Walfangschiffen – als Pirat und Retter.
    Heute gab sich Nate alle Mühe, Amy nicht dabei zu beobachten, wie sie sich mit Sonnencreme einrieb. Amy war eine Schneeflocke im Land der Sonnenbräune. Die meisten Walforscher verbrachten viel Zeit unter freiem Himmel, auf dem Wasser – größtenteils ein unerschrockener Haufen, der gern an der frischen Luft war, Leute, die ihre von Wind und Sonne gegerbten Gesichter wie Kriegsveteranen stolz zur Schau trugen. Es gab nur wenige ohne diesen semipermanenten Waschbären-Look um die Augen und sonnengebleichtes Haar oder so eine schuppige, kahle Stelle am Hinterkopf. Amy dagegen hatte milchweiße Haut und glattes, kurzes, schwarzes Haar, so dunkel, dass manche Strähnen in der Sonne Hawaiis blau leuchteten. Sie trug kastanienbraunen Lippenstift, was in dieser Umgebung so atemberaubend unpassend wirkte, dass es schon fast komisch war. Sie sah aus wie die Königin der pazifischen Gruftis, was tatsächlich auch einer der Gründe war, weshalb ihre Anwesenheit Nate derart verwirrte. (Er sagte sich: Ein wohlgeformter Hintern – selbst halb nackt – war nur ein wohlgeformter Hintern, aber hängte man einen wohlgeformten Hintern an eine blitzgescheite Frau und fügte einen Hauch Unbeholfenheit hinzu, schon hatte man … na ja, Probleme.)
    Nate sah nicht hin, als sie den Sonnenschutzfaktor 50 auf ihren Beinen verrieb, auf Knöcheln und Füßen. Er sah nicht hin, als sie sich auszog – bis auf ihr Bikinioberteil – und Sonnencreme über Brust und Schultern verteilte. (Die Tropensonne kann einen sogar versengen, obwohl man Kleider trägt.) Vor allem aber achtete Nate nicht darauf, wie sie seine Hand nahm, Sonnencreme hineinspritzte, sich dann umdrehte und ihm bedeutete, dass er sie auf ihrem Rücken verteilen sollte, was er auch tat – wobei er sie nicht näher beachtete. Professionelle Zurückhaltung. Er war bei der Arbeit. Er war Wissenschaftler. Er lauschte dem Lied des Megaptera novaeangliae ( »Großer Flügel von Neuengland« hatte ein Wissenschaftler diesen Wal getauft und damit eindeutig bewiesen, dass Wissenschaftler zu viel trinken), und er war keineswegs verzaubert von ihrem bezaubernden Hintern, da er in der Vergangenheit schon vergleichbare Daten gesammelt und ausgewertet hatte. Nates Analyse zufolge verwandelten sich

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