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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Herz-und seiner Lebenslinie überkreuzte.
    »Das gehört dir, weißer Mann aus der Stadt«, sagte Lem-ke und stellte ihm die Torte auf den Schoß. Sein erster, beinahe unkontrollierbarer Impuls war, aufzuspringen und sie von sich zu stoßen, wie man sich einer großen Spinne entledigt, die einem jemand in den Schoß hat fallen lassen. Die Torte war abscheulich und pulsierte auf ihrer billigen Aluminiumplatte, als wäre sie lebendig.
    Der Alte stand auf und blickte auf ihn hinab. »Fühlst du dich wohler?« fragte er.
    Billy merkte, daß es ihm, abgesehen vom Ekel, den er vor dem widerlichen Ding auf seinem Schoß empfand, tatsächlich besser ging.
    »Ein bißchen«, sagte er vorsichtig.
    Der Alte nickte. »Ab jetzt wirst du wieder zunehmen.
    Aber in einer Woche, spätestens in zwei, wird es auf dich zurückfallen. Und dieses Mal wird es kein Halten mehr geben. Es sei denn, du findest jemanden, der das da ißt.«
    »Ja.«
    Lemkes Augen wichen nicht von seinem Gesicht. »Bist du dir sicher?«
    »Ja, ja«, rief Billy ungeduldig.
    »Ich empfinde ein wenig Mitleid für dich«, sagte der Alte.
    »Nicht viel, aber ein bißchen. Vielleicht warst du einmal pokol – stark. Aber jetzt sind deine Schultern gebrochen. Es ist nicht dein Fehler ... es gibt Gründe ... du hast Freunde.« Er lächelte freudlos. »Warum ißt du deinen Kuchen nicht selbst, weißer Mann aus der Stadt? Du wirst daran sterben, aber du stirbst stark.«
    »Geh weg«, sagte Billy. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst. Unser Geschäft ist erledigt. Ich habe nichts mehr mit dir zu tun.«
    »Ja. Unser Geschäft ist erledigt.« Sein Blick schweifte kurz zur Torte hinunter, dann wieder in Billys Gesicht zurück.
    »Sei vorsichtig, wem du das Mahl zu essen gibst, das für dich bereitet war«, warnte er ihn und ging davon. Als er einen der Joggingpfade zur Hälfte hinter sich gebracht hatte, drehte er sich noch einmal um. Es war das letztemal, daß Billy dieses unglaublich alte, unglaublich müde Gesicht sah.
    »Kein Puush, weißer Mann aus der Stadt«, rief er zurück.
    »Niemals.« Damit wandte er sich um und verschwand in der Nacht.
    Billy blieb sitzen und wartete, bis die Dämmerung ihn verschluckt hatte. Dann stand er auf und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Er war schon zwanzig Schritte gegangen, als er plötzlich das Gefühl hatte, etwas vergessen zu haben. Er ging mit ernstem Gesicht und glasigen Augen zur Bank zurück, und holte seine Torte. Sie war immer noch warm und pulsierte noch, aber davon wurde ihm jetzt nicht mehr schlecht. Ein Mensch kann sich wohl an alles gewöhnen, wenn man ihm genügend Anreiz bietet.
    Er machte sich auf den Weg zur Union Street.
    Auf halbem Weg zu der Stelle, an der Ginelli ihn abgesetzt hatte, sah er den Nova schon am Randstein stehen. Zu diesem Zeitpunkt wußte er, daß der Fluch wirklich verschwunden war.
    Er fühlte sich immer noch furchtbar schwach, und sein Herz zitterte in seiner Brust (wie bei einem Mann, der gerade auf einem Ölfleck ausgerutscht ist, dachte er), aber der Fluch war weg. Und jetzt, da er nicht mehr da war, verstand er genau, was Lemke gemeint hatte: Ein Fluch ist etwas Lebendiges, ist wie ein blindes, unvernünftiges Kind. Ein Kind, das in ihm gesteckt und ihn von innen her zerfressen hatte. Purpurfargade ansiktet. Damit war es nun vorbei. 
    Er konnte die Torte, die er in den Händen trug, immer noch langsam, gleichmäßig pulsieren fühlen, und wenn er auf sie hinunterblickte, erkannte er ein rhythmisches Pochen auf der Kruste. Und die billige Aluminiumpackung bewahrte ihre schwache Wärme. Es schläft, dachte er und erschauerte.
    Er kam sich vor wie jemand, der einen schlafenden Teufel mit sich trägt.
    Der Nova stand mit hochgestellten Hinterreifen und lang vorgezogener Schnauze auf der Straße. Das Standlicht war eingeschaltet.
    »Es ist vorbei«, sagte Billy, als er die Beifahrertür aufmachte und einstieg. »Es ist vo ...«
    Das war, als er bemerkte, daß Ginelli gar nicht im Wagen saß. Jedenfalls nicht sehr viel von ihm. In der tiefer werdenden Dunkelheit hatte er nicht gesehen, daß er sich nur wenige Zentimeter neben Ginellis schwerverletzte Hand gesetzt hatte. Das sah er erst jetzt. Sie war eine Faust ohne Körper, die am ausgefransten Handgelenk Spuren von Blut und Fleischfetzen auf dem durchgescheuerten Sitz des Nova hinterließ. Eine vom Körper losgelöste Faust voller Stahlkugeln.

25. Kapitel: 122
    »Wo bist du?« Heidis Stimme klang ärgerlich,

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