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Fluch der Unsterblichkeit

Fluch der Unsterblichkeit

Titel: Fluch der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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meine Fesseln zu lösen. Du mußt sie holen und mir herbringen.«
    Er packte einen auf der Erde herumliegenden Arm und legte ihn mir zu Füßen. Dann blickte er auf und wedelte wieder mit dem Schwanz.
    »Nein, Bortan, lebendige Hände. Freundliche Hände. Hände, die mich losbinden. Du verstehst doch?«
    Er leckte mir die Hand.
    »Geh und suche Hände, die mich befreien. Die noch am Körper sind, noch lebendig. Die Hände von Freunden. Jetzt! Rasch! Geh!«
    Er drehte sich um und trottete davon, hielt inne, blickte sich einmal kurz um, dann stieg er den Pfad hinauf.
    »Versteht er wirklich?« fragte Hasan.
    »Ich glaube schon«, gab ich zurück. »Er hat Jahre hinter sich, in denen er lernen konnte zu verstehen, mehr als jeder andere Hund, mehr sogar als die meisten Menschen.«
    »Dann hoffen wir, daß er rasch jemanden findet, ehe wir einschlafen.«
    »Ja.«
    Da hingen wir, und die Nacht war kalt.
    Unsere Muskeln waren verkrampft und schmerzten. Das Blut unzähliger kleiner Wunden klebte vertrocknet an uns. Überall hatten wir Prellungen, und wir waren kaputt von der Erschöpfung und dem Mangel an Schlaf.
    Da hingen wir, und die Stricke schnitten uns tief ins Fleisch.
    »Glaubst du, sie werden es bis in dein Dorf schaffen?«
    »Wir haben ihnen einen guten Vorsprung verschafft. Ich glaube, sie haben eine echte Chance.«
    »Es ist immer schwierig, mit dir zu arbeiten, Karagi.«
    »Ich weiß. Auch ich habe das feststellen müssen.«
    »… zum Beispiel in dem Sommer, als wir in den Verliesen auf Korsika vor uns hinmoderten.«
    »Ja.«
    »… oder bei unserem Marsch zum Bahnhof in Chicago, nachdem wir unsere gesamte Ausrüstung in Ohio verloren hatten.«
    »Ja, das war ein schlimmes Jahr.«
    »Aber eigentlich bist du immer in Schwierigkeiten, Karagi. ›Geboren, dem Tiger einen Knoten in den Schwanz zu machen‹«, sagte er. »So geht die Rede über Menschen wie dich. Es ist schwierig, mit ihnen zusammen zu sein. Ich für meine Person, ich liebe die Ruhe und den Schatten und ein Buch mit Gedichten – und meine Pfeife …«
    »Psst! Ich höre etwas!«
    Es war Hufgetrappel.
    Ein Satyr erschien jenseits des schiefen Lichtkegels der umgekippten Lampe. Er bewegte sich nervös, die Augen gingen von Hasan zu mir und wider zurück und aufwärts und abwärts und um uns herum.
    »Hilf uns, kleiner Gehörnter«, sagte ich auf Griechisch. Er kam vorsichtig näher. Er sah das Blut, die zerfetzten Kouretes.
    Er wandte sich um, als wollte er fliehen.
    »Komm zurück! Ich brauche dich! Ich bin es, der Flötenspieler.«
    Er blieb stehen und wendete sich uns wieder zu. Seine Nüstern zitterten, blähten sich und sanken wieder ein. Die Spitzohren zuckten.
    Er kehrte zurück. Auf seinem fast menschlichen Gesicht lag ein gequälter Ausdruck, als er über das blutige Schlachtfeld schritt.
    »Die Klinge«, sagte ich, »bei meinen Füßen«, ich deutete mit den Augen. »Heb sie auf!«
    Es schien ihm nicht zu gefallen, daß er irgend etwas von Menschen Gemachtes berühren sollte, noch dazu eine Waffe. Ich pfiff die letzten Noten meines letzten Liedes.
    Es ist spät, es ist spät, ist so spät …
    Seine Augen wurden feucht. Er wischte mit dem zottigen Handrücken über sie.
    »Heb die Klinge auf und zerschneide meine Fesseln. Heb sie auf. – Nicht so, du wirst dich schneiden. Die andere Seite. Ja.« – Er nahm den Dolch richtig in die Hand und blickte mich an. Ich bewegte meine rechte Hand.
    »Die Fesseln. Zerschneide sie!«
    Er tat es. Er brauchte fünfzehn Minuten dazu, und ich trug anschließend ein blutiges Armband. Ich mußte ständig die Hand bewegen, um zu verhindern, daß er eine Arterie aufschlitzte. Aber er bekam den Arm frei und blickte mich erwartungsvoll an.
    »Jetzt gib mir das Messer, das übrige mache ich selbst.«
    Er legte die Klinge in meine ausgestreckte Hand.
    Ich ergriff sie. Sekunden später war ich frei. Dann machte ich Hasan los.
    Als ich mich umwendete, war der Satyr verschwunden. Ich hörte das Klappern eiliger Hufschläge in der Ferne.
    »Der Teufel hat mir vergeben«, sagte Hasan.
     
    Wir entfernten uns so schnell und so weit wie möglich von dem Heißen Ort, machten einen Bogen um das Kouretes-Dorf und marschierten nordwärts weiter, bis wir auf einen Weg stießen, den ich als die Straße nach Volos erkannte. Ob Bortan den Satyr gefunden und irgendwie dazu gebracht hatte, zu uns zu kommen, oder ob die Kreatur uns selbst entdeckt hatte, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Bortan war jedenfalls nicht

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