Flucht aus dem Harem
drehte sich um und ging zu Kate, die mit blassem Gesicht wie zu Stein erstarrt gewartet hatte. „Ich nehme an, Lady Dexter spricht die Wahrheit und der einzige Grund warum du hier bist, ist, um Wort zu halten.“
„ Was könnte es sonst sein, Karim Pascha?“, sagte Kate leise. „Ich habe mein Wort gegeben, freiwillig und freudig zu Euch zu kommen. Nun, hier bin ich.“
Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. „Freiwillig und freudig.“ Er seufzte. „Lassen wir das. Du darfst gehen, Leila. Vielleicht schafft es ja dein englischer Lord, dir etwas Feuer einzuhauchen.“
Einige Augenblicke herrschte absolute Stille im Raum. Kate blinzelte ungläubig. „Danke, Karim Pascha“, sagte sie schließlich. Jedes der drei Worte klang, als kostete es sie unendliche Überwindung, es auszusprechen.
Erleichtert trat Serena auf sie zu und nahm sie in die Arme. „Hör nicht auf ihn. Er ist ganz einfach der falsche Mann. Für dich“, flüsterte sie ihr ins Ohr und fügte lauter hinzu: „Leb wohl, Kate. Du kannst mein Haus haben, bis ich wiederkomme. Falls ich wiederkomme. Ich werde dir schreiben und dich auf dem Laufenden halten.“
Der resignierende Ausdruck auf Kates Gesicht bewies, was sie von Serenas Worten hielt. „Alles, was ich sagen kann, ist sinnlos, nicht wahr, Serena? Du willst das wirklich, du tust es nicht nur meinetwegen?“
Serena lächelte beinahe mitleidig. „Natürlich nicht, Liebes. Ich tue es wegen mir. Ich liebe das Abenteuer, und diese Sache verspricht jede Menge Abenteuer.“ Sie warf dem Pascha einen Blick zu, der dazu angetan war, seine Kleidung in Asche zu verwandeln.
Kate nickte widerstrebend, ohne Serena dabei anzusehen. „Soll ich dir ein paar persönliche Sachen packen lassen?“
Erst jetzt fiel Serena auf, dass sie als Folge ihres überstürzten Aufbruchs nur ihr Tageskleid trug, keinen Mantel, keinen Hut. Sie runzelte die Stirn und wandte sich dann dem Pascha zu. „Nein, das wird nicht nötig sein. Sie werden doch für alles gesorgt haben, Mr. al-Zafar?“
„ Natürlich, Lady Dexter. Sie können die vorhandene Garderobe gern in Augenschein nehmen. Falls Sie noch etwas benötigen, werden wir uns in Paris darum kümmern.“
Serena lachte. „Perfekt. Begleiten Sie Kate noch zur Kutsche? Sie wartet vor dem Haupteingang.“ Ein paar ungestörte Augenblicke würden vielleicht helfen, das angespannte Verhältnis der beiden zu bereinigen. Sie hoffte es für Kate, damit sie ihren Frieden mit der Vergangenheit machen konnte.
Der Pascha neigte leicht den Kopf. „Wie Sie wünschen, Lady Dexter.“
Serena fing Kates Blick auf, der weder Verständnis noch Billigung ausdrückte. Ein Graben tat sich zwischen ihnen auf, der durch nichts zu überbrücken war. Kate seufzte, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und folgte dem Pascha zur Tür.
Langsam wandte sich Serena ab und schlenderte durch den Raum zu einem imposanten goldgerahmten Spiegel. Ihre Wangen glühten noch immer und ihre geschwollenen Lippen zeugten von den leidenschaftlichen Küssen. Sie strich die losen Haarsträhnen zurück und versuchte, sie mit den Nadeln festzustecken. Dann betrachtete sie sich prüfend. Tat sie das Richtige? Für Kate – daran gab es nichts zu rütteln. Aber für sich selbst? Ihre Impulsivität hatte sie schon öfters in heikle Situationen gebracht. Dennoch spürte sie keinen Funken von Bedauern oder Unsicherheit. Sie konnte Kates grenzenlose Angst vor dem Mann nicht nachvollziehen. Zweifellos verfügte er über ein übergroßes Ego und eine gute Portion Despotismus, aber keine dieser Eigenschaften schüchterte sie ein.
Das Öffnen der Tür riss Serena aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und stand dem Pascha gegenüber. Er musterte sie schweigend und sie tat das Gleiche. Dunkle Augen beherrschten ein Gesicht mit hohen Wangenknochen, starken Brauen und sinnlichen Lippen. Die gebogene Nase verlieh ihm einen raubvogelartigen Ausdruck. Sie hatte gehört, dass orientalische Männer kleiner waren als englische, aber dieser hier strafte das Gerücht Lügen. Er überragte sie, die nicht gerade zu den kleinen, zierlichen Frauen gehörte, um Haupteslänge und die Geschmeidigkeit, mit der er sich bewegte, verriet, dass er kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen hatte. Ein Raubtier unter gelangweilten Haustieren, das hatte sie bei den wenigen Gelegenheiten gedacht, bei denen sie ihm in der Öffentlichkeit begegnet war.
Er betrachtete sie noch immer, aber seltsamerweise fehlte seinen Blicken die Lüsternheit, mit der sie die
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