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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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Ordnung«, nickte ich noch einmal.
    Ich erzählte Emira nur das Nötigste, um sie nicht zu beunruhigen. In
ihrem Blick las ich, dass sie begriff, worum es nun ging – um alles oder
nichts. Auch wenn ihr die Gefahr nicht bewusst war. Am Abend packten wir unsere
Sachen in dem Wissen, dass wir alles, was wir hierlassen würden, vielleicht nie
wiedersehen würden. Trotz bester Vorsätze gelang es uns nicht, unsere
Habseligkeiten in zwei Taschen zu stopfen. Emiras nagelneuer brauner
Schulrucksack war doch eigentlich gar keine Tasche. Wir packten ihn auch noch
voll. Bald schon sollten wir erkennen, dass wir die Einzigen waren, die mit
Gepäck an Bord gingen.
    Ich schlief schlecht in dieser Nacht – unserer letzten in Tunesien? –,
obwohl ich doch unbedingt Kräfte sammeln wollte für die Strapazen, die nun vor
uns lagen. Plötzlich hatte ich Angst vor der eigenen Courage.
    Bilder schwirrten durch meinen Kopf von den Flüchtlingsbooten, die
von Afrika nach Europa unterwegs waren. All die verlorenen Boote, die auf dem
Weg nach den Kanaren gekentert waren. Menschen, in Laderäumen versteckt und
dort jämmerlich erstickt. Militärschiffe, die die Boote zurückbefahlen … War
ich denn verrückt, das zu wagen? Doch ich sah keine andere Möglichkeit mehr.
    Ich zwang meine Angst nieder und dachte an die positiven Meldungen.
Das Mittelmeer war nicht der Atlantik, und Aischa hatte recht: Tausende Menschen
aus dieser Region Tunesiens hatten den Weg über das Meer nach Lampedusa
erfolgreich gemeistert. Meine Tochter und ich würden zu ihnen gehören.
    »Mama?«
    »Du schläfst ja gar nicht.«
    »Du auch nicht.«
    »Das stimmt. Aber gleich schlafe ich wieder. Und du auch, Emira.
Morgen müssen wir fit sein.«
    »Mama, glaubst du wirklich, dass wir bald in Deutschland sind?« Emiras Augen leuchteten in der Dunkelheit. Ihre Sehnsucht
nach Deutschland war riesengroß. Lang war sie nicht mehr dort gewesen und
erzählte mir oft, was sie alles vermisste: Graupensuppe von der Oma, eine
Badewanne, Kirschen, schwarzes Brot mit Körnern drinnen, Würstchen mit Senf.
    »Ja«, sagte ich und stellte mit Verwunderung und Freude fest, dass
meine Stimme klang, als zweifelte ich kein bisschen.
    Der große Tag begann mit Warten, und das Warten schien kein Ende
zu nehmen. Erst gegen neunzehn Uhr wurden wir abgeholt und nach Zarzis
gebracht. Außer Emira und mir waren noch zwei Männer im Auto sowie der Fahrer.
Überrascht erkannte ich ein bekanntes Gesicht auf dem Beifahrersitz. Es gehörte
zu Lotfi, der weitläufig mit Mohamed verwandt war.
    »Wie kommt es, dass du auch mit dem Schiff fährst?«
    »Ich habe drei Kinder, und sie haben Hunger.«
    Mitfühlend nickte ich.
    »Ich habe alles versucht. Zum Schluss sogar als Fischer gearbeitet,
aber ich konnte meine Familie nicht mehr ernähren. Jetzt sehe ich keine andere
Möglichkeit, als in Frankreich Geld zu verdienen. Ich habe einen Freund, der
hat eine Bäckerei, bei dem kann ich arbeiten. Und du?«
    »Ich versuche meine letzte Chance«, sagte ich leise.
    Als wir in Zarzis ankamen, klingelte das Handy unseres Fahrers. Offenbar
bekam er Anweisungen. Immer wieder hüstelte er nervös. Draußen war es nun
dunkel. Wir sollten auf jemanden warten. Ohne Licht saßen wir im Wagen. Die
Minuten krochen dahin. Schließlich raste ein Jeep auf uns zu, und ein junger
Mann, der Schlepper, wie ich kombinierte, sprang heraus und gab dem Fahrer
Befehle. Mit seinen nervösen Gesten benahm er sich, als stünde er unter Drogen.
In der einen Hand hielt er eine Zigarette, in der anderen Hand einen
Kinderrucksack.
    Weiter ging die Fahrt bis zu einer Villa am Strand. Dort wurden wir
in eine kleine Wohnung gebracht. Für Emira und mich war ein separater
Schlafraum reserviert, ein winziges Badezimmer gab es auch. Im Wohnzimmer saßen
junge Männer auf Matratzen und einer Couch. Sie rauchten und sahen fern. Lotfi
war einer der ältesten Männer im Raum, vielleicht in meinem Alter. Der
Schlepper redete mit Lotfi, und Lotfi redete mit den Männern. Offenbar erkoren
sie ihn zu ihrem Sprecher. In Tunesien wird das Alter nicht verachtet, sondern
geschätzt.
    Plötzlich zogen alle dicke Geldbündel
hervor. Es wurde gezählt und geflüstert, dann wechselten sämtliche Geldbündel
ihre Besitzer. Die Männer reichten das Geld Lotfi, er gab es weiter an den
Schlepper, der es in den Kinderrucksack steckte. Als ich Lotfi unsere Scheine
reichte, war der kleine Rucksack so voll, dass er mich an einen prallen
Medizinball erinnerte.
    Wir

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