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Flucht ins Ungewisse

Flucht ins Ungewisse

Titel: Flucht ins Ungewisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. R. Terrie
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hier.“
    „Woher willst du das wissen?“, fragte Lora. Bei der Art, wie sie sprach, fehlte nicht mehr viel und sie würde weinen.
    „Ich kann mit Seelen anderer Menschen in Kontakt treten“, erklärte der halbasiatische Junge, fügte dann etwas leiser hinzu. „und Schlimmeres.“
    Eine Welle von Verzweiflung ging von Lora aus. Das Zittern kehrte zurück. „Ich will sofort hier weg“, murmelte sie, drehte Cass den Rücken zu und unser Kontakt brach ab.
    Lora trottete mit gesenktem Kopf neben mir. Sie sagte kein Wort.
    Soll ich sie aufmuntern? Aber wie? Und seit wann bin ich eigentlich zur Kummerkasten-Tante degradiert worden?
    Ich seufzte leise, was Lora kurzzeitig zum Leben erweckte. „Was?“, fragte sie matt.
    „Nichts.“
    Sie nickte, blickte aber nicht hoch.
    Wieder verfielen wir in Schweigen, nur die monotonen Schritte begleiteten uns, ebenso unsere Schatten, die von den Straßenlaternen am Gehweg abgezeichnet wurden.
    Die Häuserreihen um uns lagen in völliger Stille und Schwärze. Nur ganz selten konnte ich ein Licht sehen, das auf Leben hindeutete. Kein Wunder, es musste weit nach Mitternacht sein. Ich hätte sogar darauf gewettet, dass die Sonne bald aufgehen würde.
    „Woher kennst du Cass?“ Es fühlte sich so an, als hätte sie mich von der Seite angeschrien, als sie sprach.
    Ich zuckte mit den Schultern, versuchte mich gelassen zu geben. „Er is’ vor etwa einem halben Jahr unangemeldet in meinem Kopf aufgetaucht. Hat mir aus so manch schlimmer Situation geholfen. Aber …“ Ich sah zu ihr hinunter. Durch ihre zusammengesackte Haltung wirkte sie noch kleiner. „Aber ich versteh nicht wirklich, warum er das getan hat, wenn er Amandas …“ Ich verstummte, was Lora anscheinend auch lieber war. Ihre Schultern spannten sich bei Amandas Namen sichtlich an.
    Bis zum Waggon war es nicht mehr allzu weit, vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten zu Fuß.
    Nach weiteren schweigsamen Sekunden streifte Lora plötzlich meinen Handrücken und meine Mattigkeit verpuffte für einen Moment. Aus verschiedenen Gründen.
    Ich sah sie wieder an und merkte, dass diese Berührung kein Zufall war.
    „Nehmen wir diesen Weg!“, sagte sie matt. Ihre Stimme klang seltsam trocken. Weinte sie etwa? Würde zumindest erklären, warum ich mich auch fühlte, als hätte ich geheult.
    Sie blickte nicht hoch, deutete lediglich in eine Gasse, welche nur spärlich beleuchtet war. Ich überlegte kurz. Sobald Amanda herausfinden würde, dass Lora und ich weg waren, würde sie sicher einen Suchtrupp nach uns ausschicken und wer wusste schon, wann das sein konnte? Vielleicht war dieser Weg sogar sicherer als die Hauptstraße.
    „Gut, gehen wir da lang.“ Während ich die Worte sprach, spürte ich einen Regentropfen auf meinem Gesicht. Er war kalt und krallte sich fast schon schmerzhaft in meine Haut.
    Gemeinsam tauchten wir in die dunkle Gasse ein, die uns guten Schutz versprach. Aber wir kamen nicht weit, als Lora zurückfiel und ich mich zu ihr umdrehte.
    Sie war stehen geblieben, lehnte mit der Schulter an der Wand, den Kopf fast auf die Brust gesenkt. Ich machte gerade einen Schritt zurück, als sie sich auf die Knie fallen ließ.
    Selbst mit all der Kraft, die ich in dem kurzen Augenblick aufbrachte, konnte ich nicht rechtzeitig bei ihr sein, um sie aufzufangen.
    Sie hielt beide Hände vors Gesicht und schluchzte leise.
    Der Regen nahm weiter zu, weshalb ich meine Haare, die immer schwerer wurden, zurückstrich. Was sollte ich nun tun? Ich war noch nie gut in solchen Dingen …
    Nach kurzem Überlegen hockte ich mich vor sie, legte ihr meine Jacke um die Schultern, was sie kaum zu merken schien.
    Ich betrachtete sie einen Augenblick in ihrer Haltung, die einem verängstigten Kaninchen in nichts nachstand. Zögernd nahm ich zuerst nur ihr Handgelenk, verdrängte alle unnötigen Gefühlseindrücke, die mich überkamen, und brachte sie dazu, die Hände von ihrem Gesicht zu nehmen.
    Zerschlagen sah sie zu mir hoch, was mir einen schmerzhaften Stich versetzte.
    Durch sie bekam der Ausdruck „tränenüberströmt“ noch eine neue Bedeutung. Sie war regelrecht dabei, sich in ihrer Tränenflüssigkeit aufzulösen. Aber ihre Stimme stand im Widerspruch zu dem Bild, das ich vor mir sah. Sie klang entschlossen, wenn auch verletzt. „Es tut mir leid. Ich hab wohl die Nerven verloren.“ Sie lächelte schwach.
    Ich sagte nichts darauf. Was hätte ich schon sagen sollen? Wundert mich nicht?
    „Ich wurde von einem Freund verraten“,

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