Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
müssen, ihn zu verwenden. Du aber hast Feuer aus der Luft beschworen, ohne die geringste Ahnung zu haben, was du tust. Hätten wir Zeit, würde ich der Frage nachgehen, wie und weshalb das geschehen konnte. Vielleicht wird dieser besondere Ring durch Angst oder Not erweckt. Die Werkzeuge der Elfen sind sonderbar und mächtig, allerdings nie allzu zuverlässig, wenn man nicht alles darüber weiß. Wir können nicht darauf zählen, dass er noch einmal wirkt.«
Alek nickte zwar, wurde jedoch umso verwirrter, je mehr der Einsiedler erklärte. »Was ist Willformen?«, fragte er.
Michael lächelte. »Das ist, was die Landbevölkerung bisweilen als Magie bezeichnet. Es ist die Kunst, die Wirklichkeit so zu formen, wie man es möchte, die Welt also dem eigenen Willen zu unterwerfen. Indem man beispielsweise Luft in Feuer, Feuer in Wasser, einen Stiefel in einen Fisch verwandelt. Die Wirklichkeit ist flüssig, und diejenigen, die sich darauf verstehen, können sie nach ihren Wünschen willformen. Das ist eines der Sieben Gesetze, die Willformer befolgen.«
»Kannst du das auch?«, erkundigte sich Kraig.
Michael sah den Mann mit gerunzelter Stirn und einer Miene zwischen Kummer und Verärgerung an. »Ich wünschte, ich könnte es, Friedenswächter.«
Sie setzten den Weg eine weitere Stunde schweigend fort. Schließlich gelangten sie zu einer Stelle, an der das Unterholz so dicht wucherte, dass es beinah unmöglich wurde, weiterzugehen, doch Michael führte sie durch verborgene Lücken. Ein grünes Geflecht aus Ranken und Blätterwerk bildete ein unüberschaubares Pflanzengewirr, das die Augen verwirrte und den Verstand lähmte, aber Michael ging so zuversichtlich voraus, als kenne er den Pfad auswendig. Zu Aleks Überraschung war es in dem durchwachsenen Irrgarten heller als in anderen Teilen des Waldes. Fast schien es, als schimmere der dichte Wuchs im Mondschein und leuchte ihnen den Weg.
»Wo sind wir?«, fragte Kraig. »Sehe ich tatsächlich klarer, oder verliere ich allmählich den Verstand? Was für ein Ort ist das, an dem Ranken und Büsche grüne Mauern zu bilden scheinen?«
»Das ist die sichere Zuflucht, von der ich gesprochen habe. Dies ist ein Addinhain, ein Ort, an dem der Geist des Waldes herrscht. Menschen ist es selten gestattet, hier zu wandeln, aber der Addin weiß, dass unsere Not groß ist.«
»Der Addin?«, fragte Alek, der in letzter Zeit mehr Märchen gehört hatte, als ihm lieb war. Zumindest einige davon hatten sich als wahr erwiesen. Er wappnete sich für ein weiteres.
»Ein Waldschrat. Der Addin, dessen Name Horren lautet, ist der Herr dieser Wälder. Er kennt mich. Wir dürfen heute Nacht in seinem Heim Zuflucht nehmen.«
Das Gewirr endete unvermittelt, und sie betraten eine weitläufige Lichtung. Den Boden bedeckte weiches, grünes Gras, und ein sanfter, silbriger Schimmer erhellte die Umgebung. Die Luft roch nach frischer Erde und Blumen. In der Mitte der Lichtung stand ein mächtiger Baum, dessen Stamm entlang sich eine natürliche Treppe emporwand, die sich im dichten Baldachin der Blätter hoch oben verlor. Ringsum wuchsen kleinere Bäume und Büsche, und um den Stamm erstreckte sich ein Blumenbeet. Den Beginn der mächtigen Treppe umrahmte ein Bogen aus Blüten und Ranken.
Aleks Augen weiteten sich vor Erstaunen. Der Addinhain glich etwas aus Jordi Luppis’ Liedern, und doch gab es ihn wirklich, kaum zwei Tagesmärsche von zu Hause entfernt. Er schaute zu seinen Gefährten, die ungläubig auf den Baum starrten. Alle außer Michael, der allmählich ungeduldig zu werden schien.
»Kommt. Wir müssen hinauf. Horren wird uns sehen wollen.«
Auf dem Weg zum Baum fühlte sich Alek, als liefe er auf einem Luftkissen. Das Gras war dick und fest, trotzdem geschmeidig, völlig anders als jegliches Gras, das er bisher kannte. Unter anderen Umständen hätte er vor Freude gelacht, und selbst so verspürte er eine sonderbare Behaglichkeit. Ein Pfad führte durch den Garten zu dem Blumenbogen. Er bestand aus festgetretener Erde, dennoch fühlte er sich beinah so weich wie das Gras an. Seine Augen zuckten verblüfft zwischen dem Bogen, dem Gras, dem Garten und dem Baum hin und her. In Bartambuckel gab es zahlreiche Gärten, aber keinen wie diesen.
Als sie durch den Bogen schritten, durchlief Alek eine seltsame Kälte – seltsam, aber nicht unangenehm. Instinktiv wusste er, dass er beobachtet und seine Absichten ausgelotet wurden. Kurz hielt er inne, unfähig und unwillig, die Treppe zu
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