Flucht nach Faerie - Beil, J: Talisman-Kriege 1 - Flucht nach Faerie
bereitet. Brik Meisterling, der Sohn des Dorfschmieds, erklomm betrunken einen Tisch und begann,
Es ist die Zeit für Götterspeise
zu verunstalten, ein beliebtes Lied, das für gewöhnlich zum Winterfest gesungen wurde. Auf halbem Wege durch die Weise zerrte ihn eine Gruppe Feiernder vom Tisch und warf ihn durch das nächstbeste geöffnete Fenster hinaus. Die Menge lachte schallend darüber, und Brik schloss sich unbeirrt der Veranstaltung draußen an. Einige weitere vermeintliche Künstler ereilte im Verlauf des Abends ein ähnliches Los, aber es blieb alles in einem spaßigen Rahmen, und niemand wurde ernsthaft verletzt. Wenn die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohten, war stets der kräftige und allzeit ernste Kraig zur Stelle, um für Frieden zu sorgen.
Alek hatte sechs große Krüge Ale getrunken und fühlte sich rundum glücklich, als er einen Mann in einer Ecke bemerkte, der ihn beobachtete. Der Mann saß still auf seinem Stuhl, nippte verhalten an einem Krug Ale und schien den ausgelassenen Feierlichkeiten rings um ihn keinerlei Beachtung zu schenken. Seine grauen Augen saßen tief in den Höhlen, die leberfleckige Haut wies tiefe Falten auf, und sein Haar war schütter und grau. Er trug eine feine Lederkluft und einen schweren, schwarzen Mantel. Als er sah, dass Alek ihn gesichtet hatte, lächelte er nur und nippte erneut an seinem Getränk.
»Ein merkwürdiger Kauz«, meinte Alek.
Sarah folgte seinem Blick und nickte zustimmend. »Wenigstens weiß er, sich zu kleiden. Warum starrt er mich an?«
»Er starrt
mich
an, Sarah. Er hat gerade kurz gelächelt, als ich seinem Blick begegnet bin.«
Ara schaute hinüber. »Ich habe ihn noch nie gesehen. Schenkt ihm keine Beachtung. Er scheint mir harmlos. Ich brauche noch etwas zu trinken, und dann muss ich singen. Bitte entschuldigt mich.« Damit stand sie auf und bewegte sich ein wenig torkelnd in Richtung Ausschank.
Schnell hatte Alek den geheimnisvollen Fremden in der abgeschiedenen Nische völlig vergessen, hob das Glas und sang mit, als Jordi Luppis die berühmte
Hügelschlacht
anstimmte.
Mit Tränen angeheiterter Verzückung in den Augen rief Alek: »Bei Groks Bart, ich liebe dieses Lied! Ich liebe diesen Mann.« Er begann, die Arme zu schwenken und zum Takt von Jordis Weise auf dem Stuhl zu schaukeln.
»O bitte«, murmelte Sarah, deren erst zweites Ale sich dem Ende zuneigte.
Höret sie, meine wahre Mär,
höret von Rittern so tapfer und kühn,
die bis ins Grab verfochten die Ehr’
und dafür starben auf dem Hügel so grün.
Vor zweihundert Jahren trug es sich zu,
sie kamen, um die Erde mit Blut zu röten,
die Oger zerstörten Frieden und Ruh’,
um mit Klingen zu verstümmeln und zu töten.
Die Stadtwacht trat ihnen wacker entgegen,
focht verwegen mit Schwert, Axt und Bogen,
und doch waren die Oger ihnen überlegen,
die Schlacht schien verloren, der Mut verflogen.
Doch dann nahte Hoffnung auf Pferden so weiß,
mit Kämpfern von gar edlem Geschlecht,
denn auf der hehren Eglak Geheiß
stürzten die Klingenritter sich mit ins Gefecht.
Der alte, runzlige Spielmann setzte das Lied fort, das sich insgesamt über fast zwanzig Minuten erstreckte. Gegen Ende weinte Alek hemmungslos, tief berührt von der Geschichte über jene Ritter, die ihr Leben geopfert hatten, um Bartambuckel und die umliegenden Dörfer zu retten. Schließlich beendete Jordi Luppis das Lied und verließ den Tisch in der Mitte. Die Feiernden bejubelten ihn und stimmten Sprechgesänge mit seinem Namen an. Niemand liebte ihn so sehr wie Alek, aber sein bewegender Auftritt hatte bei allen einen Eindruck hinterlassen.
Nach einer kurzen Pause half der gut aussehende Spielmann Landyn Sarahs Mutter auf den Tisch. Erwartungsfreudiges Gebrüll hallte durch den Schankraum, als die Dörfler sahen, dass die allseits beliebte Ara die Bühne betrat. Sie wartete, bis der Jubel verebbte, dann stellte sie ihr Lied vor.
»Dies ist die Geschichte der Liebe eines Mannes und einer Frau. Außerdem schildert sie den Krieg, der zwischen die beiden geriet. Sie heißt ›Lydias Klagelied‹.«
Unbegleitet scholl Aras wundervolle Stimme durch den Raum. Die von ihr gefesselten Feiernden vergaßen vorübergehend ihre Getränke und saßen schweigend da, wie gebannt von der Geschichte und der Frau, die sie erzählte.
Verwundert schüttelte Alek den Kopf. »Ich bin zutiefst beeindruckt, Sarah. Ich wusste gar nicht, dass deine Mutter so begabt ist.«
Sarah lächelte. »Ich auch nicht, Alek. Aber sie ist wirklich
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