Fluegelschlag
Zukunft winkte. Der Ausgang ihrer eigenen Geschichte stand dagegen in den Sternen. Sie löschte jede Kerze gewissenhaft und nahm sich vor, von Arian zu träumen. Danach kroch sie in ihr Bett, das sie, anders als vorgesehen, im Wohnraum auf der breiten Couch eingerichtet hatte, weil das Schlafzimmer nicht beheizbar war.
Am nächsten Morgen konnte sie sich zwar an keinen einzigen Traum erinnern, dennoch fühlte sie sich gut und zuversichtlich, dass ihr diese Reise neue Erkenntnisse bringen würde. Vielleicht kam ihre gute Laune auch einfach daher, dass sie von Sonnenstrahlen geweckt worden war. Der Tag versprach, schön zu werden.
Nach einem schnellen Frühstück schloss Juna das Cottage ab und ging hinab zu ihrem Wagen. Finn, der schon seit Sonnenaufgang ungeduldig gewesen war, lief ihr voraus. Er umrundete das kleine Auto, das wie ein Fremdkörper in der fast unberührten Landschaft stand, rannte dann plötzlich wie ein Wilder auf sie zu und schnappte nach ihrem Ärmel.
Juna kannte das als Aufforderung zum Spiel. Finn hatte sie noch nie gebissen, er konnte seine Kraft erstaunlich gut dosieren. Nur einmal war er mit einem Zahn in ihrem Pullover hängen geblieben und hatte ein Loch hineingerissen. »Och nein, jetzt bitte keine Hasenjagd!« Juna schloss die Fahrzeugtür auf, stellte ihre Tasche hinein und sah sich um: vom Hund keine Spur.
»Fin-ny … Finn! Hierher!«
Nichts.
Dann sah sie ihn plötzlich wie einen schwarzen Blitz hinter dem Haus auftauchen. Er bellte aufgeregt.
»Hier!«
Aber nichts half, nicht einmal die Hundepfeife, die sie für den äußersten Notfall bei sich trug. Natürlich hätte sie Finn niemals in einer fremden Umgebung allein zurückgelassen, und außerdem war Jagdsaison. So mancher Hund war schon mit Wild verwechselt oder von Jägern erschossen worden, weil sie ihn für einen Räuber hielten.
Also stieg sie den Hügel zum Haus wieder hinauf, denn von dort aus hatte man einen besseren Überblick. Finn saß sehr aufrecht auf der Terrasse und blickte sie aufmerksam an.
»Spinnst du? Du kannst doch nicht einfach weglaufen!«
Seine Rute schlug nervös hin und her, er knurrte, und das
Fell stand ihm so sehr zu Berge, wie Juna es noch nie zuvor gesehen hatte. Sie verschwendete keinen Gedanken darauf, ob sein aggressives Verhalten ihr gelten könnte. Irgendetwas stimmte nicht. Sie sah sich um.
Ein blendender Blitz und ohrenbetäubender Lärm ließen sie zurückweichen. Geblendet schlug Juna die Hände vor das Gesicht.
17
S o schnell, wie die Explosion gekommen war, so schnell wurde es auch wieder still. Zurück blieben rauchschwarze Trümmer ihres Autos, die zu löschen sie sich gar nicht mehr die Mühe machte.
Die Szene erinnerte sie an einen Kinofilm.
»Wenn jetzt Wind aufkommt, trägt er die Reste mit sich fort.« Juna setzte sich neben Finn und legte den Arm um ihn. »Du hast es gewusst, oder?« Und dann löste sich ihre Anspannung in einer Flut von Tränen auf.
Als sie endlich wieder einigermaßen klar denken konnte, fasste sie einen Plan. Ihre Wertgegenstände waren verloren. Geld, Kreditkarten und Papiere, alles hatte die Explosion unwiederbringlich zerstört.
Viel wichtiger aber: Irgendjemand meinte es verdammt ernst.
Jetzt war klar, dass die defekten Bremsleitungen kein Zufall gewesen sein konnten. Vielleicht war es besser, wenn der Attentäter glaubte, sein Ziel erreicht zu haben. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht irgendwo auf der Lauer gelegen hatte, um ganz sicherzugehen.
Juna fühlte sich unsicher, doch Finn war ihr ein Trost. Er hatte ihr nicht zum ersten Mal das Leben gerettet, und womöglich steckte mehr in dem Hund, als selbst Arian hatte sehen können. Einen Versuch, auf seine außergewöhnlichen
Fähigkeiten zu vertrauen, sollte sie jedenfalls wagen. Was blieb ihr auch anderes übrig?
»Ist er noch in der Nähe?«, fragte Juna leise.
Anstelle einer Antwort schüttelte sich Finn nur und lief auf den Bergpfad zu, über den sie gestern bereits gemeinsam spaziert waren. Nach einigen Metern blieb er stehen und sah sich um.
»Okay, ich komme.«
Juna brach zu einer Wanderung auf, von der sie niemals geglaubt hatte, dass sie so beschwerlich werden würde. Schon als Kind, aber ganz besonders nachdem sie wieder in Schottland Fuß gefasst hatte, gehörte ein Großteil ihrer freien Zeit den Highlands. Einladungen zur Jagd, denen der Großvater zuweilen gefolgt war, hatte sie zwar stets ausgeschlagen, weil ihr das Schießen auf Tiere zuwider war, aber während
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