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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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sehen. Beim kurzen Morgengang mit Finn hatte sie festgestellt, dass es weder kalt noch allzu windig
war, und sie freute sich darauf, ihr Häuschen zu beziehen und anschließend einen langen Spaziergang zu machen.
    Juna hielt sich genau an die Anfahrtsbeschreibung und verstand bald, warum sie so ausführlich formuliert war. Der Weg verlor sich allmählich in der Heide, und jeder Felsbrocken rechts oder links der Spur stellte einen willkommenen Hinweis dar. Ganz so abgelegen hatte sie sich ihre Unterkunft nicht vorgestellt. Eigentlich hatte sie im örtlichen Pub regelmäßig zu Abend essen und dezent Fragen stellen wollen. Nach ihrem Vater, aber besonders nach einer Frau, die ihr ähnlich sah. Zum Verwechseln ähnlich, wenn sie dem Foto Glauben schenken durfte, dessen Kopie gut verpackt in ihrer Brieftasche steckte. Sie hatte es als kleines Mädchen im Zimmer der Großmutter entdeckt und für ein Heiligenbild gehalten. Als sie danach fragte, hatte Großmutter sehr geheimnisvoll getan und gesagt, später, wenn Juna älter sei, würde sie ihr mehr über das Bild erzählen. Doch dazu war es nie gekommen, denn die alte Frau war bald darauf schwer erkrankt und binnen eines Jahres gestorben.
    Schnell versuchte Juna, die schmerzhafte Kindheitserinnerung zu verdrängen, und konzentrierte sich wieder darauf, dem kaum noch erkennbaren Feldweg zu folgen.
    Schließlich durchquerte sie ein Wäldchen, das sich in eine große Wiese öffnete, und da erblickte sie mitten auf einer kleinen Anhöhe die Jagdhütte. Unspektakulär und wie die meisten neueren Gebäude in den Highlands eher praktisch als schön, wirkte sie jetzt allerdings einladend, denn die Sonne verlieh den grauen Steinen einen warmen Schimmer, und der Himmel spiegelte sich in blanken Fensterscheiben. Juna parkte am Fuß des Hügels, weil sie dem Auto eine Fahrt durch die sandige Heide nicht zumuten wollte.
Also musste sie einige Male hin und her gehen, um Gepäck und Einkäufe ins Haus zu tragen. Finn schien das alles für ein grandioses Spiel zu halten.
    »Du könntest eigentlich auch mit anfassen!«, rief sie ihm zu, als er ihr entgegengerannt kam, während sie sein Futter den Berg hinaufschleppte.
    Seine Antwort fiel eindeutig aus: Er sprang in die Luft, bellte kurz und verschwand erneut aus Junas Blickfeld.
    Bald darauf brannte ein Feuer im Ofen, das die Feuchtigkeit vertreiben sollte, die sich trotz aller Vorkehrungen, die der Vermieter getroffen haben mochte, ins Innere des Häuschens geschlichen hatte. Juna lehnte sich mit einem Glas Wein in der Hand gegen die sonnenwarme Hauswand und blinzelte ins Winterlicht. Wenn sie die Augen zusammenkniff, sah sie in der Ferne ein Schiff über das Meer gleiten. Außer dem Wispern des Windes und dem Vogelgezwitscher, das vom Waldrand hinter der Hütte herüberwehte, war es hier oben völlig still. Finn kehrte von seinem Ausflug zurück und legte sich zu ihren Füßen auf die grob gezimmerte Holzterrasse. Plötzlich wusste Juna, dass es diese Ruhe und der Frieden einer weiten Landschaft waren, die es brauchte, um eine verletzte Seele zu heilen. Tränen stiegen ihr in die Augen, und leise flüsterte sie: »Arian.«
    Gegen Melancholie half Bewegung. Entschlossen zog sie ihre Wanderstiefel an, verriegelte die Tür zum Cottage und pfiff nach Finn. Gemeinsam folgten sie dem Fußpfad, der sich nicht weit von ihrem Haus entfernt den Berg hinaufschlängelte.
     
    Vier Stunden später ließ sie sich erschöpft auf einen von zwei Küchenstühlen nieder, die ihr Haus zu bieten hatte.
Die Wanderung war herrlich gewesen, obwohl sie überzeugt war, spätestens übermorgen jeden Knochen zu spüren.
    Jetzt aber, nachdem sie das Feuer im Ofen wieder angefacht hatte, genoss sie erst einmal die Wärme und den Duft einer einfachen Suppe, die auf dem Herd brodelte, während daneben das mitgebrachte Brot röstete. An morgen würde sie später denken. Warm in ihre bequemste Hose und einen viel zu großen Pulli eingepackt, der eigentlich Arian gehörte, nippte sie an einer heißen Schokolade. Ihre Füße in dicken Socken gegen Stuhl Nummer zwei gestemmt, sah sie dem Himmel zu, wie er einen frühen Herbstabend mit spektakulären Farben ausklingen ließ, als gäbe es nur diesen Winkel der Welt und unendlichen Frieden.
    Später las Juna noch ein wenig beim Schein eines Kerzenleuchters in ihrem mitgebrachten Roman, bis ihr die Augen fast zufielen. Die Liebesgeschichte machte sie melancholisch, aber immerhin war klar, dass dem Paar am Ende eine glückliche

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