Fluegelschlag
Kuss liebevoll und fasste sie dann an der Hand. »Komm!«
Das Gartentor quietschte ein bisschen, aber Juna hatte nur Augen für das Haus. Finn sauste an ihnen vorbei, froh, nach der langen Autofahrt endlich die Glieder strecken zu können.
Langsam folgten sie ihm ums Haus herum. Die Sprossenfenster
der Terrassentüren auf der Rückseite blinkten im Sonnenlicht, und Juna brannte darauf, das Innere zu erkunden. Doch Arian hatte augenscheinlich andere Pläne. Er zog sie durch den Garten, der zwar verwildert war, dem man aber noch ansah, dass er einst wunderschön gewesen sein musste. Auch jetzt hatte er einen verwunschenen Charme, dem Juna sich nicht entziehen konnte, obwohl sie alles andere als eine passionierte Gärtnerin war. Am Ende schützte nur ein altersschwacher Lattenzaun vor dem Sturz in die Tiefe. Anstelle einer Pforte hatte jemand ein Seil gespannt, das allerdings auch schon bessere Tage gesehen hatte. Juna trat an Arians Seite bis an den Rand und blickte gut vier Meter in eine kleine Bucht hinab.
Die Reste einer Treppe waren noch zu erkennen. Sie hatte einst zu dem weißesten Strand, den man sich wünschen konnte, hinabgeführt.
Juna lachte übermütig. Sie brauchte ja nur ihre neuen Flügel auszubreiten und hinunterzusegeln. Leider fehlte es ihr bisher an Übung, und dies war auch Arians Argument gewesen, als er ihr die Reise in den Süden der Insel vorgeschlagen hatte. »Dort kannst du dich in Ruhe mit deinen neuen Fähigkeiten vertraut machen.«
Sie hatte zugestimmt und dabei gedacht, dass sie sich bei der Gelegenheit auch gleich nach einer neuen Bleibe umsehen würde.
Juna drehte sich einmal um sich selbst und lachte glücklich.
Arian fiel ein und nahm sie bei der Hand. »Zum Haus!«
Nebeneinander liefen sie bis zur Terrasse, und er stieß eine der Türen auf.
»Traumhaft!« Juna stand in der unteren Etage des Hauses
und bewunderte den riesigen offenen Kamin im großzügigen Wohnbereich. Die angeschlossene Bibliothek - leider ohne ein einziges Buch in den dunklen Regalen - und ein Arbeitszimmer hatte sie schon besichtigt.
Jetzt ging sie in die große Küche, aus der ebenfalls Terrassentüren in den Garten führten und an die ein Wirtschaftsbereich mit separatem Eingang angeschlossen war. Von hier sah man unmittelbar auf einen ehemaligen Gemüsegarten.
»Wie praktisch. Würden wir hier wohnen, könntest du nach der Gartenarbeit gleich mit dem Kochen beginnen!« Sie dachte an Arians erste Versuche, ein Essen zuzubereiten, und kicherte.
»Und ich hatte gedacht, es würde dir gefallen, dass du die Wäsche nicht durchs ganze Haus tragen musst, um sie aufzuhängen.« Arian zeigte auf die Pfähle, zwischen denen einstmals eine Wäscheleine gespannt gewesen sein musste. Als Juna ihm anstelle einer Antwort den Zeigefinger in den Bauch piekste, hob er sie einfach in seine Arme und lief mit ihr die Holztreppe hinauf in ein lichtes Schlafzimmer. Leider war es unmöbliert und ziemlich luftig, denn eine der Balkontüren stand weit offen und erlaubte nicht nur den freien Blick über das Meer, sondern ließ auch Wind und Sonne herein. Ihre Elemente.
Junas Flügel öffneten sich, und die voller Erwartung zitternden Spitzen trafen mit Arians größeren schwarzen Schwingen zusammen.
Obwohl sein höllisches Erbe anderswo das Licht absorbierte und den Tag schwächte, bot es in ihrer Gegenwart eine geradezu jenseitige Bühne für Junas himmlische Energie. Arians Feuer loderte heiß, der Funke sprang schnell über. Ihr hatte sein entfesselter, geradezu elementarer Hunger
schon immer gefallen, doch seit sie in dieses neue Leben zurückgekehrt war, glich jede ihrer Begegnungen einem Vulkanausbruch. Sein männliches Lachen jagte neue, bisher unbekannte lustvolle Wellen durch ihren Körper.
Juna ergab sich den urtümlichen Mächten, die aus dem Beginn der Zeit zu stammen schienen, widerstandslos. Sie genoss das Gefühl von ungezügelter Leidenschaft, die wie ein Feuersturm durch ihre Adern raste.
Mit fliegenden Fingern entkleideten sie sich gegenseitig. Juna wurde nicht müde, seinen Körper zu berühren. Wie häufig hatte sie die scheinbare Perfektion griechischer Statuen bewundert, nicht ahnend, dass das Vorbild für all diese Kunstwerke eines Tages leibhaftig vor ihr stehen würde.
Waren es seine Hände oder nur die sinnlichen Gedanken, die sie teilten, die jede ihrer Kurven berührten wie ein kostbares Kleinod? Juna hungerte danach, Arians Feuer zu atmen und ihre Energien miteinander zu verbinden. Lass mich
Weitere Kostenlose Bücher