Flüstern in der Nacht
wußte nicht, was sie sagen sollte. Schließlich brachte sie nur hervor: »Nein.« »Doch.«
»Das kann nicht sein.« »Kann es schon.« »Das geht aber nicht so leicht.« »Ich sage dir, die Sache ist perfekt.« »Die lassen mich nicht Regie führen.« »O doch.«
»Aber den Endschnitt kriege ich nicht.« »Kriegst du doch.« »Mein Gott!«
Sie war wie benommen, kam sich vor wie betäubt. Eugene gratulierte und entschwand.
Wally lachte und schüttelte den Kopf. »Weißt du, schon wegen Eugene hättest du die Szene ein wenig besser spielen können. Die Leute werden uns jetzt gleich feiern sehen und sogleich Eugene fragen, worum es geht; und er wird es ihnen sagen. Du mußt der Welt glauben machen, daß dir von Anfang an klar war, daß du genau das bekommen würdest. Du darfst nie zweifeln oder deine Ängste preisgeben, wenn du unter Haien schwimmst.«
»Du machst dich nicht über mich lustig? Wir haben tatsächlich bekommen, was wir wollten?«
Wally erhob sein Glas und sagte: »Einen Toast. Auf meine Lieblingsklientin, in der Hoffnung, daß sie am Ende doch noch lernt, daß es wirklich Wolken mit silbernem Futter und eine Menge Äpfel ohne Würmer gibt.« Sie prosteten einander zu.
Dann sagte sie: »Ich wette, das Studio hat sich noch einige unangenehme Zusatzforderungen einfallen lassen. Minimumhonorar. Kein Anteil an den Einspielergebnissen. Lauter solches Zeug.«
»Hör' auf, Haare in der Suppe zu suchen«, erwiderte er verzweifelt.
»Ich esse keine Suppe.« »Jetzt werd' bloß nicht frech.« »Ich trinke Champagner.« »Du weißt genau, was ich meine.«
Sie starrte auf die Kohlensäureperlen in ihrem Champagnerglas.
Dabei fühlte sie sich, als würden auch in ihr Hunderte von Perlen aufsteigen – winzige funkelnde, aus Perlen bestehende Ketten der Freude; aber ein Teil von ihr mimte, spielte eher den Korken und versuchte, das aufschäumende Gefühl zu unterdrücken, es in Schach zu halten, damit es ja nicht entweichen konnte. Sie fürchtete sich davor, allzu glücklich zu sein, wollte das Schicksal nicht herausfordern.
»Ich versteh' das einfach nicht«, meinte Wally. »Du schaust, als sei die Sache geplatzt. Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
Sie lächelte. »Es tut mir leid. Nur ... als ich ein kleines Mädchen war, habe ich gelernt, jeden Tag mit dem Schlimmsten zu rechnen. Auf diese Weise konnte ich nie enttäuscht werden. Das ist die beste Einstellung, die man sich zulegen muß, wenn man mit zwei verbitterten, gewalttätigen Alkoholikern zusammenlebt.«
Seine Augen blickten freundlich.
»Deine Eltern leben nicht mehr«, sagte er leise und zartfühlend. »Sie sind tot, beide. Sie können dir nichts mehr antun, Hilary. Sie können dir nie mehr wehtun.« »Den größten Teil der letzten zwölf Jahre hab' ich damit zugebracht, mich von dieser Tatsache zu überzeugen.« »Hast du je daran gedacht, einen Psychoanalytiker aufzusuchen?«
»Das hab' ich zwei Jahre lang mitgemacht.« »Und es hat dir nicht geholfen?« »Nicht sehr.«
»Wenn du vielleicht einen anderen –«
»Das würde keinen Unterschied machen«, unterbrach ihn Hilary. »Die Freudsche Theorie hat eine entscheidende Schwachstelle. Nach Meinung der Psychiater kann man sich, sobald man an die Kindheitstraumata denkt und versteht, daß sie einen neurotischen Erwachsenen aus einem gemacht haben, auch ändern. Die Psychiater glauben, das Problem liege darin, den Schlüssel zu finden. Wenn man ihn gefunden hat, könne man seine innere Tür binnen einer Minute öffnen. Aber so einfach ist das nicht.«
»Man muß sich ändern wollen«, sagte er. »Auch das ist nicht so einfach.«
Er drehte das Champagnerglas zwischen seinen kleinen, wohlmanikürten Händen. »Nun, wenn du hier und da jemanden brauchst, mit dem du reden kannst – ich stehe dir immer zur Verfügung.«
»Ich habe dich im Lauf der Jahre schon mit sehr vielem belastet.«
»Unsinn. Du hast mir nur sehr wenig anvertraut. Nur das Notwendigste.«
»Langweiliges Zeug«, meinte sie.
»Ganz im Gegenteil, das versichere ich dir. Die Geschichte einer Familie, die auseinanderbrach. Alkoholismus, Wahnsinn, Mord und Selbstmord und ein unschuldiges Kind dazwischen ... Als Drehbuchautorin solltest du wissen, daß einen so etwas nie langweilt.«
Sie lächelte sanft. »Doch ich muß in erster Linie selbst damit fertig werden.«
»Gewöhnlich hilft es, wenn man darüber spricht.« »Doch habe ich bereits mit einem Psychiater und mit dir auch darüber gesprochen, und es hat
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