Flüstern in der Nacht
für das Fernsehen auf dem Weg nach oben. Nette Leute.«
»Nein, wirklich nicht, Wally. Heute nicht.« »Eine schöne Frau wie du an einem solchen Abend und einem solchen Grund zu feiern – das verlangt Kerzen, leise Musik, guten Wein und jemand ganz Besonderen, mit dem du das teilen kannst.«
Sie grinste. »Wally, du bist ja ein Romantiker.« »Nein, im Ernst«, sagte er.
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Es ist wirklich reizend von dir, daß du so besorgt um mich bist, Wally. Aber ich fühle mich wirklich wohl und bin glücklich, wenn ich allein sein kann. Ich bin eine gute Gesellschafterin für mich. Für eine sinnvolle Beziehung mit einem Mann, Skiwochenenden in Aspen und verplauderte Abende im Palm bleibt noch genug Zeit, wenn Die Stunde des Wolfes fertig ist und in den Kinos anläuft.«
Wally Topelis runzelte die Stirn. »Wenn du nicht lernst, dich zu entspannen, wirst du in einem Geschäft wie diesem, immer unter Druck, nicht lange überleben. In ein paar Jahren wirst du ausgepumpt sein, zerfranst, zerschlissen. Glaub' mir, Kleines, wenn die physische Energie verbrannt ist, wirst du plötzlich entdecken, daß die geistige Energie, der Saft, die Kreativität mit verdunstet ist.«
»Dieses Projekt bedeutet für mich einen Wendepunkt«, sagte sie. »Mein Leben wird nicht mehr das sein, was es einmal war.«
»Richtig. Aber –«
»Ich habe hart gearbeitet, verdammt hart sogar, hatte nichts anderes im Sinn, sah nur diese Chance. Ich gebe zu: Ich war von meiner Arbeit besessen. Aber sobald ich mir einen Ruf als gute Drehbuchschreiberin und gute Regisseurin erworben habe, werde ich mich sicher fühlen. Dann werde ich endlich imstande sein können, die Dämonen zu vertreiben – meine Eltern, Chicago, all die schlimmen Erinnerungen. Dann werde ich lockerer sein und ein normales Leben führen können. Aber noch darf ich nicht ruhen. Wenn ich jetzt lockerlasse, werde ich versagen – oder zumindest glauben, daß ich versage, und das ist dasselbe.«
Er seufzte. »Also gut. Aber im Palm wär' es sicher schön gewesen.«
Ein Page kam mit ihrem Wagen.
Sie umarmte Wally. »Wahrscheinlich ruf ich dich gleich morgen an, nur um ganz sicherzugehen, daß diese Warner-Brothers-Geschichte nicht nur ein Traum war.« »Die Verträge werden ein paar Wochen in Anspruch nehmen«, meinte er. »Aber ich rechne nicht mit ernsthaften Problemen. Das Protokoll der Besprechung bekommen wir nächste Woche, und dann kannst du ja eine Verabredung im Studio treffen.«
Sie warf ihm eine Kußhand zu, eilte zu ihrem Wagen, gab dem Pagen ein Trinkgeld und fuhr weg.
Sie fuhr auf die Hügel zu, an den Häusern vorbei, von denen jedes eine Million Dollar oder mehr kostete, vorbei an riesigen Rasenflächen; sie bog nach links, dann nach rechts ab, ganz willkürlich, ohne besonderes Ziel, fuhr einfach, um sich zu entspannen; Fahren als Erholung, eine der wenigen Vergnügungen, die sie sich gestattete. Die meisten Straßen lagen in purpurfarbenem Schatten, den die grünen Blätterdächer warfen; die Nacht stahl sich über das Pflaster, obwohl oberhalb der ineinander verwachsenen Palmen, Eichen, Ahornbäume, Zedern, Zypressen, Jacarandas und Kiefern noch lichter Tag war. Sie schaltete die Scheinwerfer ein und erforschte einige der verschlungenen Canyonstraßen, bis mit der Zeit ihre Enttäuschung verebbte.
Später, als die Nacht sich auch über die Blätterdächer gesenkt hatte, hielt sie an einem mexikanischen Restaurant am La Cienega Boulevard. Grobverputzte beigefarbene Wände mit Fotografien mexikanischer Banditen. Der würzige Duft von heißer Soße, Tacogewürzen und Maismehltortillas. Kellnerinnen in tiefausgeschnittenen Folkloreblusen und roten Faltenröcken. Muzak im mexikanischen Genre. Hilary aß Käse-Enchiladas, Reis und gebackene Bohnen. Das Essen schmeckte ebenso gut, wie bei Kerzenlicht mit Geigenmusik und jemand ganz Besonderem neben ihr.
Ich darf nicht vergessen, Wally davon zu erzählen, dachte sie, als sie die letzten Enchiladas mit einem Schluck Dos Equis, einem dunklen mexikanischen Bier, hinunterspülte. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto deutlicher konnte sie die Antwort hören, die er darauf geben würde: »Lämmchen, das ist nichts anderes als vordergründige psychologische Vernünftelei. Natürlich ändert Einsamkeit den Geschmack des Essens nicht, auch Kerzen und der Klang von Musik ebensowenig – aber das bedeutet noch lange nicht, daß Einsamkeit etwas Wünschenswertes, ja geschweige denn ein
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