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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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Sie trägt ein langes weißes Kleid mit viel zu viel Spitze und geht vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend über den Schnee. Dann schlüpft sie um die Hausecke, während sich die anderen Elfen weiter vorwärts bewegen. Es sind einfach schrecklich viele.
    Der Kreis aus den Eisenbahnschwellen schwankt. Er muss halten. Ich packe eine Eisenstange und versuche, sie zu stabilisieren.
    Der Wind lässt Issies Haare flattern. Ihre Augen sind angsterfüllt. Auch sie kann das Haus jetzt sehen, das ist offensichtlich. »Zara, geh zurück.«
    Dann schreitet der König durch die Tür. Der Wind fährt in sein Haar und hebt es an. Er schaut uns zornig an, aber auch seine Elfen. Ihm ist klar, was wir getan haben. Er hebt die Arme. Der Gesang wird lauter, entwickelt sich zu einem wilden, hektischen Kriegsgeschrei, auch wenn die Elfen sich weiterhin langsam bewegen, uns und die Situation taxieren und, so denke ich, auf Befehle warten.
    Nick knurrt.
    »Sie haben den Zauber entfernt«, sagt Gram zu mir. »Ich kann sie sehen.«
    »Verwandle dich nicht«, bitte ich sie. »Einverstanden?«
    Sie nickt.
    Der Elfenkönig sucht Blickkontakt zu Gram, und fast im selben Augenblick steht er vor ihr. Er ist größer als sie. Seine Augen sind ganz silbern geworden. Nur Stacheldraht und Eisenstangen trennen sie.
    »Tiger?« Sein Gesicht zittert vor Zorn. »Ist das … ist das dein Werk?«
    Gram lacht ihm ins Gesicht. Sie lacht den Elfenkönig aus, als ob er nichts wäre. »Nein, ich hab mir das nicht ausgedacht. Das war deine Tochter.«
    Er wendet sich mir zu und schießt fast im selben Augenblick vor mir aus dem Boden. Seine Augen sind vollkommen silberfarben und erinnern an das Eisen, mit dem wir ihn eingesperrt haben. »Du hast uns in einer Falle gefangen.«
    Der weiße Faden, den ich seit dem Tod meines Dads am Finger trage, reißt ab und flattert im Wind davon. Er fliegt über die Eisenstäbe, und der Elfenkönig fängt ihn ein. Er nimmt den Faden zwischen die Finger und betrachtet ihn.
    Mrs. Nix in Bärengestalt versetzt einem Elf einen Schlag, sodass er zur Seite fliegt. Sie geht knurrend innen an unserem Kreis entlang. Ein Ablenkungsmanöver.
    »Euer Hoheit!«, sagt eine Elfenfrau. Ihre Stimme klingt panisch.
    »Greift den Bären nicht an«, befiehlt er. »Nur in Gruppen von fünf. Kreist ihn ein.«
    Mrs. Nix geht auf die Hinterbeine. Devyn fliegt mit einem Stück Draht im Schnabel zum Dach und befestigt es am Kamin. Ein Elf lehnt sich aus einem Fenster im zweiten Stock und versucht nach ihm zu greifen. Er verfehlt Devyn und stößt einen zornigen Schrei aus.
    »Die Königin, Euer Hoheit!«, kreischt die Elfenfrau von gerade eben.
    Der König schaut für den winzigen Bruchteil einer Sekunde zur Seite, um zu sehen, was dort vor sich geht. Dort steht meine Mutter. Mir ist klar, dass er weiß, dass sie gleich die eiserne Barriere übersteigen wird. Aber er rührt sich nicht. In diesem Augenblick kapiere ich, wie gefangen er tatsächlich ist, gefangen in seinem Wesen und seiner Rolle, gefangen in seiner Begierde. Dennoch trifft er eine Entscheidung, und zwar eine großherzige und liebenswerte Entscheidung.
    »Euer Hoheit!«, wiederholt die Elfenfrau. Ihre blonden Haare wehen im Wind.
    Er beachtet sie nicht, sondern schaut mir direkt in die Augen, während Issie meiner Mutter über den Stacheldraht hilft. Mrs. Nix springt hinter ihr her zurück zu uns, wo sie sicher ist.
    Nicks Schwanz schlägt gegen den Boden. Er und Mrs. Nix beschützen meine Mutter mit ihren Körpern.
    »Du hast meine Mutter in die Falle gelockt«, sage ich. »Ich musste sie befreien.«
    Der König schaut mich finster an, und ich erwidere seinen Blick. Die Kälte, die von ihm ausgeht, ist ungeheuer. Nick stellt sich neben mich und drückt sich an mich. Ich schaue meine Gefangenen finster an. Keine Ahnung, ob ich richtig handle. Keine Ahnung, ob Amnesty International oder mein Dad diese Sache billigen würden, aber eine andere Lösung ist mir nicht eingefallen.
    Ein anderer Elf macht mit ausgebreiteten Armen einen Satz nach vorn und versucht, nach meiner Mutter zu greifen, aber sein Smoking streift den eisernen Draht und fängt an zu brennen. Drei kreischende Elfen ziehen ihn zurück. Ich greife wieder nach der Eisenstange, damit sie nicht umkippt.
    Nick knurrt.
    Der König zeigt endlich auch seinem Gefolge, dass er die Flucht meiner Mutter bemerkt hat, dass er sieht, wie sie zusammen mit Issie auf mich zugeht.
    »Was hast du getan?«, brüllt er.
    Ich antworte nicht.

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