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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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dran«, schrie er, »Sie werden nicht genau wissen, wann der Treibstoff zu Ende geht. Es kann gut sein, dass Sie mitten in Ihrer Lebensgeschichte sterben werden.«
    Und ich schrie: Gibt’s sonst noch was Neues?
    Und: Sagen Sie mir was, was ich noch nicht weiß.
    Aber dann sprang er. Ich pinkelte ihm nach und schob die Kabinentür wieder zu. Im Cockpit gebe ich Gas und ziehe das Ruder zurück, bis wir hoch genug sind. Dann brauche ich nur auf den Knopf zu drücken, und den Rest übernimmt der Autopilot. Womit wir in der Gegenwart wären.
    Wenn ihr das hier hört, die unzerstörbare Blackbox von Flug 2039, dann könnt ihr auch hingehen und euch ansehen, wo dieses Flugzeug seine letzte Landung hingelegt hat und was davon noch übrig ist. Dass ich kein Pilot bin, werdet ihr merken, wenn ihr die Trümmer und den Krater seht. Wenn ihr das hier hört, wisst ihr, dass ich tot bin.
    Aber mir bleiben noch einige Stunden, meine Geschichte zu erzählen.
    Demnach könnte es sein, dass ich sie zu Ende erzählen kann.
    Test. Test. Eins, zwei, drei.
    Der Himmel ist in allen Richtungen blau und gerecht. Die Sonne steht genau vor mir, hell und herrschend. Wir sind über den Wolken, es ist ein ewig schöner Tag.
    Also, rollen wir die Sache auf. Fange ich am Anfang an.
    Flug 2039. Die wahren Ereignisse. Take eins.
    Und.
    Um das mal festzuhalten: Ich fühle mich absolut großartig.
    Und.
    Ich habe schon zehn Minuten vergeudet.
    Und.
    Action.

Kapitel 46
    Bei meinem Lebenswandel komme ich selten genug dazu, ein Kalbsschnitzel zu panieren. An manchen Abenden ist es auch mal was anderes: Da gibt es Fisch oder Hähnchen. Nur, sobald ich die eine Hand in rohes Ei getaucht habe, während ich in der anderen das Stück Fleisch halte, ruft irgendjemand mich an und bringt mich in Schwierigkeiten.
    Das passiert mir jetzt fast jeden Abend.
    Heute ist es ein Mädchen, das mich aus einer lärmenden Disco anruft. Von dem, was sie sagt, verstehe ich nur das eine Wort: »hinter«.
    Und: »Arschloch.«
    Dann etwas wie »Licht« oder »nicht«. Es ist jedenfalls so, dass ich die Lücken dazwischen unmöglich ausfüllen kann, also stehe ich allein in der Küche und schreie, um mich durch die Musik da irgendwo verständlich zu machen. Die Stimme des Mädchens klingt jung und erschöpft, und ich frage sie, ob sie mir vertraut. Ist sie müde, hat sie Schmerzen? Ich frage, wenn es nur eine einzige Möglichkeit gäbe, ihre Schmerzen zu lindern, würde sie die ergreifen?
    Mein Goldfisch schwimmt ganz aufgeregt in seinem Glas auf dem Kühlschrank herum. Ich werfe ihm eine Valium ins Wasser.
    Ich schreie das Mädchen an: Ob ihr das nicht reicht?
    Ich schreie: Ich werde mir ihr Gejammer nicht länger anhören.
    Hier am Telefon zu versuchen, ihr Leben in Ordnung zu bringen, ist reine Zeitverschwendung. Die Leute wollen keine Hilfe annehmen. Niemand will seine Probleme loswerden. Seine kleinen Dramen. Seinen Wahnsinn. Niemand will eine Lösung. Noch das Chaos seines Lebens beenden. Was hätten sie dann denn noch? Nur noch das große, unheimliche Unbekannte.
    Die meisten, die mich anrufen, wissen bereits, was sie wollen. Manche wollen sterben und wollen sich von mir bloß die Genehmigung abholen. Manche wollen sterben und brauchen noch ein wenig Ermunterung. Einen kleinen Stoß. Wer an Selbstmord denkt, hat nicht mehr viel Sinn für Humor. Ein einziges falsches Wort, und nächste Woche kann man ihre Todesanzeige lesen. Den meisten Anrufern höre ich ohnehin nur mit halbem Ohr zu. Bei den meisten treffe ich die Entscheidung, ob sie weiterleben oder sterben, allein nach dem Klang ihrer Stimme.
    Mit dem Mädchen in der Disco komme ich nicht weiter, also sage ich: Bring dich um.
    »Was?«, sagt sie.
    Bring dich um.
    »Was?«, sagt sie.
    Versuchs mit Barbituraten und Alkohol, und steck den Kopf in eine Plastiktüte.
    »Was?«, sagt sie.
    Da man ein Kalbsschnitzel nicht gut mit nur einer Hand panieren kann, sage ich zu ihr: Tu’s jetzt oder nie. Drück ab oder auch nicht. Ich sei ja bei ihr. Sie stirbt nicht allein, aber ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.
    Sie fängt heftig an zu heulen, was sich so anhört, als wäre es Teil der Musik im Hintergrund. Ich lege auf.
    Die Leute erwarten von mir, dass ich ihr Leben in Ordnung bringe, während ich gleichzeitig ein Kalbsschnitzel paniere.
    Das Telefon in einer Hand, versuche ich mit der anderen das Paniermehl ans Fleisch zu kriegen. Warum macht man es mir so schwer? Man tunkt das Fleisch in rohes Ei. Dann lässt man es

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