Flut
, aber von irgendwas muss ich ja die Rechnungen bezahlen. Mit den Hipstern ist es schon schwieriger. Sie müssen das Gefühl haben, etwas Authentisches zu tun, aber es darf nicht wirklich authentisch sein. Die Atmosphäre muss retro und ein bisschen gegen das System sein, aber ohne dass die Begriffe selbst je fallen. Der Hipster-Gast ist kein Tourist, sondern eine authentische, alternative Person, die sich in touristischem Ambiente bewusst touristisch verhält, wodurch sich die geistige Armut des dummen Kommerztourismus im Handumdrehen in eine geile Sache verwandelt. Das gute alte Wochenende am Meer in neuer Verpackung. Die Pousada do Bonobo bietet authentische Tourismuspakete für den altmodischen Geschmack. Das muss ich noch genauer ausarbeiten. Jedenfalls fängt man schon mal mit einem Plattenspieler und ein paar Second-Hand-Klamotten im Eingangsbereich an. Ich hab eine Powerpoint-Präsentation fertig, da erklär ich das alles, zeig ich dir später. Falls du dir einen Siebziger-Jahre-Schnurrbart wachsen lässt, kannst du mein Concierge werden. Na, wie wär’s, Schwimmer? Bist du dabei?
Am dritten Tag kommt ihn eine Abordnung der Academia Swell besuchen. Débora, Mila, die Zwillinge, Jander und Greice bringen Blumen und ein Säckchen selbstgemachte Ingwerbonbons von Celma mit, die selbst nicht kommen konnte, weil sie an einem Reiki-Kongress in São Paulo teilnimmt. Sie sagen ihm jeweils, wer sie sind, damit er keine Angst haben muss, jemanden nicht zu erkennen. Débora weint, als sie ihn sieht, sagt aber, er solle sie gar nicht weiter beachten, sie fange schnell an zu weinen. Das Tierärzte-Paar erkundigt sich nach Beta. Sie sind erleichtert zu hören, dass sich jemand um sie kümmert, und bieten ihm falls nötig ihren Hundezwinger an. Dieses Tier ist ein Wunder, sagt Greice. Rayanne und Tayanne erzählen, dass der neue Schwimmtrainer nicht so nett ist wie er. Das heißt, nett ist er schon, sagt eine von ihnen, er weiß nicht genau welche, aber er unterrichtet nicht wirklich. Er spult einfach sein Training ab. Wenn wir sagen, dass wir mit Aufwärmen fertig sind, zeigt er auf seine Tafel und sagt, okay, jetzt macht mal Beintraining. Wenn wir mit dem Beintraining fertig sind, sagt er, okay, und jetzt die ganze Bewegung, er liest einfach nur alles von der Liste ab. Immer wenn ich frage, ob ich richtig schwimme, sagt er Ja, ohne überhaupt zu gucken. Du fehlst uns echt, Trainer. Wenn uns nicht jemand ständig korrigiert, ermutigt und auf die Nerven geht, macht es einfach keinen Spaß. Er sagt, dass der neue Lehrer ja vielleicht recht hat. Vielleicht schwimmt ihr jetzt so gut, dass ihr niemanden mehr braucht, der euch dauernd korrigiert. Ihr dürft nur nicht vergessen, Arme und Beine zu synchronisieren und immer schön lange Züge zu machen, ihr müsst fühlen, wie ihr die Kraft im Wasser umsetzt, und euch einfach gleiten lassen. Und dann natürlich versuchen, langsam immer besser zu werden. Ich glaube, ihr seid bereit dafür. Siehst du, sagt die eine der Zwillinge. Genau das meinten wir. Werd schnell gesund und komm wieder zurück, sagt die andere. Besteht denn die Chance, dass du wiederkommst? Ich weiß es nicht, sagt er. Da müsst ihr Débora fragen. Sie zuckt mit den Schultern und sagt, sie sollen Panela fragen. Als sie gehen, überkommen ihn Erinnerungen an Freunde von früher, Gestalten ohne Gesichter, mit denen ihn gemeinsame Erlebnisse verbinden, und er stellt sich vor, sie wiederzutreffen, bis Natália ihn aus seinen Tagträumen holt, ihm einen kleinen Becher mit Tabletten hinstellt und ihn fragt, ob es stimmt, dass sein Freund, der am Tag davor hier war, eine Pension an der Praia do Rosa hat.
Er bleibt elf Tage im Krankenhaus.
Am Morgen seiner Entlassung nimmt er den Bus nach Florianópolis, isst dort zu Mittag und fährt dann weiter nach Garopaba. Er steigt aus und läuft direkt zu Dália, die um dieseUhrzeit noch in Imbituba arbeitet. Die Hündin freut sich wie verrückt, ihn zu sehen, und Dálias Mutter betont, sie habe ihr ordentlich zu fressen gegeben, damit sie zu Kräften kommt. Sie fängt wieder an, ihm einen von ihren Träumen zu erzählen, aber er unterbricht sie und sagt, dass er ihn schon kenne. Diesmal kommt die Frau mit den schwarzen Haaren zusammen mit einem Kind aus dem sumpfigen See. Sie schaut ihn schweigend an. So war es doch, oder? Sie nickt.
Du solltest deine Zeit nicht damit vergeuden, von mir zu träumen.
Er trinkt den letzten Schluck Kaffee, bedankt sich mehrmals für alles und
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