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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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aufhelfen, aber er winkt ab und kommt alleine wieder auf die Beine. Er weiß, dass es aus ist, wenn er noch einen Treffer kassiert. Er geht zum Strand runter und fordert den anderen auf, ihm zu folgen.
    Diesmal zögert er. Offenbar tut er ihm leid. Er sieht ihn widerwillig die Stufen herunterkommen. Es scheint ihm peinlich zu sein, weiter gegen einen wehrlosen Gegner kämpfen zu müssen. Vielleicht hat er aber auch Angst. Vielleicht sind ihm die alten Geschichten eingefallen, die man sich in der Gegend erzählt hat und die sich vor einigen Jahrzehnten genau hier abgespielt haben sollen. Geschichten, über die seine Eltern und Großeltern nicht reden wollen.
    Er steckt einen Fuß in den Sand. Das helle Licht der Straßenlaternen scheint auf die traurige Szene, die sich jetzt vor einem Publikum von zwanzig bis dreißig Leuten abspielt. Die beiden stehen sich gegenüber, und als der Surfer zögert, nutzt er seine nachlässige Haltung aus und kickt ihm eine Ladung Sand ins Gesicht. Er weicht zurück, reibt sich die Augen und bekommt gleich darauf einen Faustschlag mitten auf die Nase. Halb blind prügeln die beiden eine Zeit lang aufeinander ein, bis er ihm irgendwann zwischen die Beine packt und mit der anderen Hand die Kehle zudrückt. Dem Surfer versagen die Knie. Auch als sie beide in den Sand fallen, lässt er nicht los. Während er weiter zudrückt, sieht er das angstverzerrte Gesicht des Surfers erst rot, dann blau anlaufen.
    Hier kriegst du mich nur noch mit einem Kopfschuss weg, du Arschloch.
    Die Umherstehenden versuchen, die beiden zu trennen, sie zerren an ihnen und bearbeiten sie mit Schlägen und Tritten, aber er lässt nicht locker. Bis er die Stimme einer Frau erkennt, die ihm schon seit einer Weile ins Ohr schreit.
    Sieh mich an, ruft sie. Lass ihn los. Sieh mich an.
    Er lässt los. Eine Zeit lang liegt der Kerl leblos da, dann fängt er an zu husten und zu würgen, bis seine Freunde ihm zu Hilfe eilen.
    Er greift in ihre krausen Haare.
    Dália. Ich kann dich nicht richtig sehen.
    Oh, mein Gott. Steh auf, komm.
    Was machst du hier?
    Was ich hier mache? Mann, ich wollte eine Caipirinha trinken. Und dann seh ich, wie ihr euch hier wie zwei Tiere zerfleischt. Du brauchst einen Arzt. Meine Güte, deine Stirn ist ja ganz aufgerissen. Komm jetzt.
    Warte. Nur kurz.
    Er macht sich von ihr los und taumelt unter den Blicken der Menge zur Garagenpforte. Er geht hinein und kniet sich vor die Hündin.
    So, meine kleine Beta. Jetzt ist alles gut.
    Er schafft es nicht, den Knoten zu öffnen. Ein Mann bietet ihm ein Taschenmesser an.
    Versuch’s mal damit.
    Danke.
    Das ist doch der Hund, der immer im Meer schwimmt, oder? Und du bist der Typ mit dem Bart, der neben ihm herschwimmt. Ich sehe euch immer von meiner Veranda aus.
    Er zerschneidet das Halsband und gibt der Hündin ein paar Klapse auf die Rippen. Dália kommt dazu und fährt ihm mit den Fingernägeln über den Rücken.
    Komm jetzt, du Wahnsinniger. Gleich taucht hier die Polizei auf. Wir sollten versuchen, vorher ins Krankenhaus zu kommen, sonst dauert es ewig.
    Ich komm schon.
    Du kannst doch gar nicht klar denken.
    Mit der Hündin im Schlepptau taumelt er durch das Tor bis vor den Tresen. Nach einem kurzen Hustenanfall wendet er sich an den Kellner.
    Ich nehm eine von diesen Caipirinhas mit Cointreau.
    Wirklich?
    Eine für mich und eine für die junge Dame hier. Und etwas Eis in einer Plastiktüte, bitte, wenn es keine Umstände macht. Sind die Arschlöcher noch da?
    Die stehen da drüben auf der anderen Straßenseite. Ich hab dich hier doch schon mal gesehen, oder?
    Ich glaub schon, aber da sah ich wahrscheinlich noch anders aus, zum Beispiel war der Bart nicht so lang.
    Den rasieren sie dir im Krankenhaus bestimmt ab.
    Kein Problem, wird sowieso Zeit.
    Der bärtige Kellner reicht ihm einen Beutel mit Eiswürfeln und beginnt, die Limetten zu schneiden. Dália setzt sich neben ihn, wickelt das Eis in ein Handtuch und drückt es ihm ins Gesicht. Als sie die Kompresse nach einer Minute wieder abnimmt, flackert blaues und rotes Licht an der Fassade.
    Mir ist schwindelig, Dália. Vielleicht werd ich gleich ohnmächtig.
    Der Kellner bringt die beiden Caipirinhas und stemmt dann die Hände in die Hüften.
    Sag mal, woher kommst du eigentlich? Du bist doch nicht von hier.
    Er ist der Enkel vom Gaúcho, sagt jemand.
    *
    Die Krankenschwester reicht ihm ein Glas Wasser, sie trägt ein Schild mit dem Namen Natália an ihrem Kittel und erinnert ihn an die Darstellerin

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