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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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Er war in Argentinien. Irgendwo am Arsch der Welt, an den Ort erinnere ich mich nicht. Er sagte, er wolle nur ein bisschen auf Reisen gehen, aber gegen Ende gab er mir mehr oder weniger zu verstehen, dass es für immer war, dass er sich von Zeit zu Zeit melden würde und ich mir keine Sorgen machen sollte. Und das machte ich auch nicht. Jedenfalls nicht viel. Ich weiß noch, dass ich dachte, wenn er in irgendeinem Loch bei einem Messerkampf umsLeben käme, wie der Typ in Borges’ Erzählung »Der Süden«, dann würde das gut zu ihm passen. Es wäre tragisch, aber passend. Egal. Außerdem dachte ich, dass bestimmt eine Frau dahintersteckte, ich würde sagen, die Wahrscheinlichkeit betrug neunundneunzig Prozent. Hinter so einer Geschichte steckt immer eine Frau, und wenn es so war, dann war es gut. Im Laufe des nächsten Jahres rief er mich nur drei Mal an, wenn ich mich recht erinnere. Ein Mal aus Uruguaiana. Ein anderes Mal aus einem kleinen Städtchen in Paraná. Dann war er sechs Monate verschollen, und das nächste Mal rief er aus einem Fischerdorf namens Garopaba in Santa Catarina an. Und obwohl ich nicht mehr genau weiß, worüber wir sprachen, erinnere ich mich an das Gefühl, dass etwas an ihm anders war. Er hatte etwas Jugendliches in der Stimme und erzählte wirres Zeug, irgendetwas Unzusammenhängendes über seinen Aufenthaltsort. Ich erinnere mich nur noch an eine Geschichte, die mit Kürbissen und Haien zu tun hatte. Ich glaubte, der Alte hätte den Verstand verloren oder, was noch unglaublicher war, dass er mit irgendwelchen Hippies rumhing und sich die Birne dichtgeraucht hatte. Jedenfalls meinte er, er hätte beobachtet, wie die Fischer dort Haie fingen, indem sie gekochte Kürbisse ins Meer warfen. Die Haie fraßen die Kürbisse, und das Zeug ging in ihren Mägen auf, bis sie explodierten. Ich sagte nur, alles klar, Papa, super, pass auf dich auf, und er verabschiedete sich und legte auf.
    Scheiße.
    Dann hat er nicht mehr angerufen. Und da hab ich angefangen, mir Sorgen zu machen. Als ich nach ein paar Monaten immer noch nichts von ihm gehört hatte, stieg ich an einem Wochenende auf mein Moped, die Suzuki 50, die ich damals hatte, und fuhr nach Garopaba. Acht Stunden Fahrt auf der BR-101, mit Gegenwind. Wir reden von 1967. Um nach Garopaba zu kommen, musste man zwanzig Kilometer auf unbefestigten Pisten fahren, teilweise war das nur Sand, und auf dem Weg dorthin sah man vielleicht ein halbes DutzendHäuser stehen und sonst nur Hügel und Wald. Die Leute liefen barfuß, wenn man überhaupt mal das Glück hatte, jemandem zu begegnen, und auf jeden Pritschenwagen kamen fünf Ochsenkarren. Die Stadt hatte an die tausend Einwohner, und am Strand war von Zivilisation nichts als eine weiße Kirche auf dem Felsen und die Schuppen und Boote der Fischer zu sehen. Der Ort war um eine alte Walfangstation errichtet worden, und angeblich wurden dort noch immer Wale gejagt. Die ersten Straßen wurden gepflastert, und der neue Platz war gerade fertig geworden. Um das Dorf herum standen Höfe und kleine Häuser, und nachdem ich mich ein bisschen umgehört hatte, fand ich in einem davon deinen Großvater. Ah, der Gaúcho, meinte einer der Einheimischen. Also machte ich mich auf die Suche nach dem Gaúcho und stellte fest, dass dein Großvater sich in einer Miniaturversion unseres alten Hofes einquartiert hatte, fünfhundert Meter vom Strand entfernt. Er hatte ein altes Pferd, einen Haufen Hühner und einen Gemüsegarten, der einen Großteil des Geländes einnahm. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und hatte sich mit den Fischern angefreundet. Außerdem sammelte er Palmenblätter, aus denen Matratzen hergestellt wurden. Die Blätter trocknete er in der Sonne und verkaufte sie. Bis er eine eigene Unterkunft gefunden hatte, schlief er in den Fischerschuppen. Ich konnte mir meinen Vater nicht in einer Hängematte vorstellen, und schon gar nicht in einem Fischerschuppen, wo man ständig das Rauschen der Wellen hört. Aber das war nichts im Vergleich zum Speerfischen. Die Einheimischen fischten zwischen den Felsen nach Zackenbarschen, Tintenfischen und ich weiß nicht was, und die Leute kamen damals schon aus Rio de Janeiro und São Paulo, um dort zu tauchen. Dein Großvater erzählte mir, er sei eines Tages auf so einem Boot mitgefahren, man habe ihm eine Taucherbrille mit Schnorchel, Flossen und eine Harpune gegeben und er sei abgetaucht und nicht wieder hochgekommen. Ein Typ aus São Paulo sei irgendwann

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