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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Leiter festhalten. Rungholt riss das Lederbändchen entzwei, den Spaten an sich und schlug zu. Er traf den Schlagarm des Schiffbauers, holte sofort zu einem zweiten Hieb aus und ließ das Spatenblatt in Polings Kopf krachen. Der Schiffbauer stürzte schreiend zwei Klafter in die Tiefe und knallte mit dem Rücken auf das Floß.
    Tüks starrte von unten Rungholt an, war sich offenbar nicht sicher, ob er auch hinaufsollte.
    »Trau dich!«, brüllte Rungholt ihm zu. »Los doch!« Speichel lief aus seinem Mund. Er setzte sich richtig aufs Brett.
    Obwohl das Fass von außen riesig wirkte, war es innen durch das Sitzbrett, die Geräte und einige Eimer samt Netzen recht eng. Ein aus mehreren Metallen gearbeiteter Hebel grub sich Rungholt unangenehm in den Arm, schnitt und drückte sich in sein Fleisch. Ungläubig starrte er auf die Druckstellen. Die Runen an den Armen, durchfuhr es ihn. Mehrere Stunden in diesem Fass und …
    Das war es also. Hier hatten sie gesessen. Genau hier.
    Anstatt die Leiter zu packen, riss Tüks mit einem Mal den Kopf herum, und Rungholt meinte, Pferde zu hören. Ein Signalhorn. Die Rufe der Handwerker vermischten sich mit neuerlichem Kampfgeheul und nun auch Kinderschreien.
    Pfeile zischten, und ein ganzes Bündel traf die Glocke. Rungholt hörte sie ins Holz einschlagen. Armbrustbolzen splitterten gegen die Außenwand, klopften wie ein unliebsamer Gast.
    Als Rungholt wieder nach unten sah, brach Tüks von vier Pfeilen getroffen zusammen. Weitere Handwerker kamen unter die Glocke gelaufen, wollten sich auf dem Floß oder im See in Sicherheit wissen, doch Bolzen und Pfeile durchschlugen ihre Körper.
    Wer auch immer da schoss, es konnte nicht Marek sein. Selbst mit Sinje zusammen hätte er diesen Geschosshagel niemals …
    Ein Bersten. Ein fürchterliches Knacken und Zittern durchfuhr die Glocke. Der Krake zuckte mit seinen Tentakeln. Rungholt klammerte sich ans Sitzbrett.
    Was zum Teufel …
    Er konnte den Gedanken nicht mehr denken, denn jäh riss das Tau, und er stürzte in die Tiefe. Auch für einen Schrei blieb keine Zeit.
    Das schwere Fass und die Netze voller Steine zerschlugen das Floß. Splitter und Holzfetzen spritzten wie Funken. Trafen die Glocke, verirrten sich ins Innere und rissen Rungholts Haut auf. Der Krake riss die schlanken Fässer mit sich und zermalmte die meisten sogleich, bevor sie ins Wasser eintauchten.
    Rungholt hatte seine Füße und den Rücken gegen das Fass gestemmt, den dicken Hintern auf das Brett gedrückt, krallte sich fest.
    Mit der Kraft einer wilden Ochsenherde schlug ihm das Wasser entgegen.
    Die Glocke sank.

50
    Rungholt hatte erwartet, dass die Gedanken durch seinen Kopf wirbeln, dass sie tanzen und ein wirres Licht entfachen würden. Sätze und Bilder, ein Strudel ohne Anfang und Ende. Zumindest war es, wenn seine Träume ihn unter das Wasser gedrückt hatten, stets so gewesen.
    Doch jetzt war sein Kopf leer. Er konnte lediglich starren, glotzen auf das trümmerübersäte Wasser zu seinen Füßen, das hin und her schwappte und den Blick auf das Nichts freigab. Auf das Nichts bis zum Grund, den er nicht sehen, nur spüren konnte. Schwarzer Schlund.
    Seine Hände pochten. Rechts war die Schnittwunde aufgerissen, er hatte sich wohl beide Handgelenke gebrochen. Schmerzen verspürte er jedoch nicht, dazu brodelten seine Säfte zu stark.
    Die Töversche, dachte er und konnte den Blick nicht von der Wasseroberfläche lassen, die unter seinen Schnabelschuhen im letzten Licht der Welt schimmerte.
    Ich liebe dich, Alheyd.
    Die Töversche hatte Recht, dachte er.
    Dieser Schädel … Er führt dich zu deinem Grab.
    Mein Grab ist das Wasser.
    Dann versiegten ihm alle Gedanken, und es blieb nur noch ein Wort:
    Nein.
    Die Glocke sank gerade und sehr gleichförmig, die Netze mit den Steinen zogen sie ins Dunkel des Sees, und um Rungholt wurde es Nacht. Nacht ohne Mond, ohne Sterne. Er klammerte sich ans Holz, spürte die Hebel in der Seite und versuchte, die Beine hochzuziehen, doch es gelang ihm nicht. Die Glocke war zu eng. Auf der Flucht hatte er sich hineingezwängt, doch wie herauskommen? Wohin überhaupt?
    Er sucht zierliche, kleine Menschen.
    Das Knarzen und Stöhnen des Kraken dröhnte in seinen Ohren. Ein Zischen, irgendwo über ihm. Des Kraken Odem schoss durch das Loch, das der Armbrustbolzen geschlagen hatte.
    Der faulige Gestank des Wassers stieg Rungholt in die Nase. Das Wasser, dachte er, es wird gleich hier reinschießen und mich an die Decke der Glocke

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