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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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ringend im Regen und blickte über die Schindeln. Binnen dreier Atemzüge war er bis auf die Haut nass. Lübeck lag in der gewittrigen, blauschwarzen Nacht da wie Felsen in der Gischt. Der Sturm trieb Schauer über die Dächer und ließ den Regen kochen.
    Seit letztem Jahr teilten sich die Beete seiner Magd mit einigen Baracken den schmalen Hinterhof. Rungholt hatte sie für seinen Knecht Contz und seine beiden Kaufmannsgesellen errichtet. Das Wohnhaus in der Engelsgrube stand recht hoch am Lübecker Hügel, sodass er die Schemen der anderen Häuser bis in den Süden gut in der Nacht erkennen konnte. Bei jedem Blitz erstrahlten die Staffelgiebel, die Dächer und die sieben Kirchtürme der Stadt. Das Wasser auf den Schindeln blitzte scharf im Licht, bevor alles – St. Marien, das Rathaus, der Dom, das Haus seiner Tochter – wieder von der vollkommenen Finsternis geschluckt wurden.
    Rungholt ließ seinen Blick hinabgleiten, die Engelsgrube entlang zum Hafen. Er erkannte, dass es auf der anderen Seite der Trave am Horizont brannte, irgendwo hinter Lüdjes Lastadie. Wahrscheinlich hatte der Blitz unweit des Wegs nach Schwartau eingeschlagen.
    »Du gehst mir da nicht rauf! Komm runter da! Hast du zu viel Genever mit Dartzow geleert?« Alheyds Schimpfen drang zu ihm ins Freie. Sie wollte ihn an der Hand packen und ins Haus ziehen, aber er drückte seine Frau mit dem Bein fort.
    »Halt’s Maul, Weib«, zischte er. »Oder willst du, dass wir absaufen?! Sollen wir leckschlagen wie eine Kogge? Lass mich.«
    Alheyd war mit Contz heraufgekommen. Der zwölfjährige Junge hielt sich im Hintergrund und kaute auf seinen Fingernägeln.
    »Contz! Endlich!« Rungholt steckte seinen Kopf in den Dachboden. »Felle her! Und Seil! Und halt mich fest!« Der Knecht duckte sich unter jedem Wort weg. »Felle her, du verblödeter Sack! Los doch.«
    Anstatt sich zu bewegen, starrte Contz bloß Hilfe suchend zwischen Rungholt und Alheyd hin und her, den Finger im Mund.
    »Wenn wir hier fertig sind, darfst du die Knoten in deine Knute binden. So viele, wie dir schmecken.«
    »Rungholt«, mischte sich Alheyd ein.
    »Was?!«
    »Du machst ihm Angst.«
    »Das ist auch Sinn der Sache. Soll den verkackten Finger aus seiner Fresse ziehen.« Rungholt begann zu frieren. Warum ist Marek nicht hier, zürnte er. Dieser Haudegen von einem Kapitän hätte das Loch längst abgedeckt – und dazu wahrscheinlich im Gewitter ein Liedchen geschmettert.
    Fürstlich belohnt hätt’ ich ihn, anstatt hier klitschnass mit meinem Weib und diesem … diesem … Ihm fiel vor Zorn kein passendes Wort für den Jungen ein.
    Hilde war es schließlich, die Rungholt die Felle reichte. Unter Alheyds strafenden Blicken hob sie sie zu Rungholt ins Freie, woraufhin sich endlich auch Contz aus seiner Starre löste.
    Mittlerweile war das Gewitter von Schwartau herübergezogen und tobte direkt über der Stadt. Donner und Blitz wurden eins. Sie zerschlugen die Nacht und fuhren Rungholt in die Knochen. Er musste beide Hände von den glitschigen Holzschindeln nehmen, um das Fell gegen den Wind zu halten und es irgendwie glatt über die Sparren zu bekommen. Er schlug es über das Loch, stützte sich mit der einen Hand auf den Schindeln ab und stemmte seinen Fuß in die Fluten, die die Dachpfannen hinabströmten.
    »Contz«, schrie er. »Festbinden! Binde das Fell fest!« Immer wieder schlug der Wind die Haut hoch, peitschte sein Gesicht. Mit aller Kraft gelang es ihm, das Fell zu bändigen und hinunterzudrücken. »Los doch! … Contz?«
    Auch seine zweite Hand löste er von den Schindeln, er reckte sie Contz entgegen, der ihm ein Lattenstück hochschob, damit er das Fell besser fixieren konnte. Rungholt streckte sich nach dem Holz, da schlug der Blitz ein.
    Die Nacht strahlte taghell. Sofort war er ohne Orientierung. Der Blitz zerriss das Hier und Jetzt. Auf Höhe von Swonekens Badestube, keine zehn Häuser entfernt, schoss das Göttliche Feuer zuckend vom Himmel und steckte augenblicklich Hadecke Krömers Haus in Brand.
    Der Donner, der nahezu zeitgleich die Luft erschütterte, war derart laut, dass Rungholts Herz einen Sprung tat und er vor Schreck den Halt verlor. Er griff sofort nach den Schindeln, aber seine Finger rutschten ab.
    »Oh nein«, schoss es ihm durch den Kopf, als sein Gewicht ihn durch das Regenwasser nach unten zog. Herumwirbelnd sah er noch die Flammen den Himmel über der Schwönekenquerstraße erhellen, aber denken konnte er nur noch einen Satz: Jetzt musst du

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