Flying Moon (German Edition)
Wir kannten das Haus, aber an diesem Abend sah es festlicher aus, fast wie ein Schloss. Die Fenster und Türeinfassungen waren mit prachtvollen Vorhängen dekoriert und zum ersten Mal bemerkte ich die Kronleuchter. Fast alle Frauen trugen lange Abendkleider, die Männer Anzüge oder Smoking. Dagegen fielen wir und einige andere, eher lässig gekleidete Gäste, deutlich ab. Mit Jeans wären wir hier vermutlich gar nicht herein gekommen. Wir schoben uns hinter meinen Eltern in den großen Festsaal, in dem die Gäste etwas lockerer standen. Ich zog überrascht die Luft ein. Wow. Eine Champagnerpyramide! In hunderten von Gläsern perlte honigfarbene Flüssigkeit. Ich kannte so etwas eigentlich nur aus Filmen und irgendwie hatte ich geglaubt, dass es so etwas in Wirklichkeit gar nicht gab.
Nora kam auf meine Eltern zu und umarmte sie. Sie trug ein schwarzes, bodenlanges und schulterfreies Kleid, ihre Haare waren lose hoch gesteckt. Sie sah großartig aus. Ich sage das nicht gern. Ich würde lieber sagen, man sah, dass sie eine böse Hexe war, die es nur darauf abgesehen hatte, unsere Familie zu entzweien, aber - man sah es nicht. Sie redete höflich mit Mom und flirtete mit Dad, aber das tat sie sowieso immer. Und dann, ganz überraschend und eigentlich vollkommen unpassend, schlug sie vor, uns ihren neuen Vorführraum zu zeigen. Ihre eigene Party zu verlassen, ging das überhaupt? Lion war sofort begeistert. Ich sah den skeptischen Blick meiner Mutter, sie lehnte ab, genau wie ich, doch mein Vater ging mit. Die drei zogen ab und meine Mutter entdeckte eine Kollegin und verschwand mit ihr Richtung Buffet. Ich blieb etwas ratlos zurück. Ich kannte hier niemanden. Vermutlich liefen hier einige Filmgrößen herum, aber die erkannte ich sowieso nie. Ich ging herum und fing Gesprächsfetzen auf. Der letzte Film war großartig ... Die Finanzierung steht, keine Frage ... Eine Millionen Zuschauer, wann hat man das schon in Deutschland?!
Es ging ums Geschäft und um viel Geld. Was für eine langweilige Party. Doch plötzlich sah ich jemanden, der deutlich jünger war als die übrigen Gäste. Ein Junge. Etwa in meinem Alter. Er stand am Eingang, sein Blick wanderte gelangweilt durch den Raum. Willkommen im Club. Er trug einen blauen Anzug mit einem weißen T-Shirt und sah auf eine lässige Art gut darin aus. Auf einmal war die Party wesentlich interessanter, obwohl ich weder vorhatte, ihn anzusprechen, noch mich irgendwie bemerkbar zu machen. Ich stellte mich hinter eine Säule, von der ich ihn gut im Blick hatte. Ich sah, wie ein älterer Mann im Anzug auf ihn zuging, auf ihn einredete und ihm aufmunternd auf die Schulter schlug. Ich hörte nicht, was sie redeten, aber ich sah, wie lästig dem Jungen das Gespräch war. Er wirkte erleichtert, als der Mann endlich weiterging und schlenderte Richtung Buffet. Ich wollte ihm unauffällig folgen, doch dann drehte er sich um und entdeckte mich. Verlegen sah ich weg und ging möglichst cool zur weit geöffneten Verandatür, denn auf keinen Fall wollte ich mir anmerken lassen, dass ich Interesse an ihm hatte.
Den Garten kannte ich auch nur tagsüber. Terrasse, Pool, englischer Rasen und an den weit entfernten Grundstücksgrenzen riesige Kastanien und knochige Weiden. Nora hatte nicht nur Geld, ihre Familie war schon immer wohlhabend gewesen und der Überfluss wurde elegant präsentiert. Der Pool war mit Fackeln beleuchtet, auf der Wasseroberfläche trieben künstliche Seerosen und brennende Schwimmkerzen, aber selbst das sah geschmackvoll aus. Immer mehr Gäste schoben sich aus den überhitzten Innenräumen in den Garten, obwohl sie auch hier kaum Abkühlung fanden. Auch mir war heiß, mein Gesicht glühte. Ich zog die Sandalen aus, grub meine Zehen in den frisch gemähten Rasen und atmete erleichtert auf. Entspannt schlenderte ich zum Pool, sah auf die glitzernde Wasseroberfläche. Ich stellte die Schuhe auf den Beckenrand und wanderte ein wenig auf dem kühlen Marmorrand hin und her.
»Soweit ich weiß, ist das Betreten der hauseigenen Schwimmanlage für Gäste strengstens verboten.«
Ich drehte mich um. Und da stand er und lächelte mich an, als würden wir uns schon hundert Jahre kennen.
»Ach ja? Ich habe gehört, wenn man einen guten Grund dafür findet, kann man alles machen.«
Er grinste. »Einverstanden. Mir ist heiß. Wie ist es mit dir?«
»Ja. Trifft es ziemlich genau.«
»Also ... wollen wir eine Runde schwimmen?«
Am Pool stand ein Liegestuhl. Er zog seine
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