Forever in Berlin
sicherlich schmutzigen Gedanken aus seinem Gehirn und wendete sich so langsam Lilly zu, dass es ihr fast schon widerwillig vorkam.
»Cheers!«, rief Lilly und hielt ihm ihr Bowleglas zum Anstoßen demonstrativ vor die Nase.
»Cheers«, antwortete Tim, war mit den Augen aber schon wieder bei Twerk-Miley.
Lilly merkte, wie Ärger in ihr hochstieg. Männer! Ja, sie konnte mit dieser beknackten Miley und ihren Modelmaßen äußerlich nicht mithalten. Sie war schließlich nur knapp 1,65 Meter groß. Aber sie war zierlich, und sie bewegte sich nach zehn Jahren Ballett anmutig wie eine Tänzerin. Weder die alte Adelstochter Lilly, noch die coole Hauptstadt-Lil würden sich allerdings zu so etwas Niveaulosem wie Twerken hinreißen lassen. Und das war auch ganz okay so, fand sie. Wenn Tim diese Twerk-Tussi unbedingt haben musste, dann sollte er doch.
Abrupt drehte sie sich um und machte sich in Richtung Küche auf, wo sie das Buffet vermutete. Wer eine Party mit so toller Deko feierte, hatte vielleicht auch tolles Catering parat, hoffte sie. Kohlehydrate halfen schließlich immer gegen weiblichen Frust, oder?
»Ich gehe mir was zu essen holen«, rief Lilly beleidigt Tim noch über die Schulter zu. Doch der reagierte nicht einmal mehr.
»Trottel«, dachte sie und trank ihr Glas Bowle aus Wut auf ex aus.
Die Küche war einer dieser offenen Räume mit einem riesigen, rechteckigen Esstisch aus Massivholz in der Mitte und der eigentlichen Küchenzeile in U-Form außen herum. Wo sonst vermutlich Familienfeiern mit mindestens zwölf Gästen stattfanden, war heute das Halloween-Buffet aufgebaut. Es gab Wiener Würstchen, deren Enden flach abgeschnitten und mit einer Mandelscheibe belegt waren, so dass sie wie menschliche Finger aussahen. Über ein paar von ihnen war am anderen Ende sogar noch Ketchup gespritzt, das täuschend echt wie Blut aussah. Abgerissene menschliche Finger also.
»Genial«, entfuhr es ihr.
Am anderen Ende, beim Dessert, standen kleine Gläser, die mit grünem Wackelpudding gefüllt waren, in dem jeweils ein menschliches Auge schwamm, das – hoffentlich, flehte Lilly – aus irgendwelchem Schaumgummizeugs gemacht war. Dennoch überfiel sie ein wohliger Grusel angesichts der originellen Speisen.
Plötzlich spürte sie wie sich jemand ganz nah von hinten an sie heran schob und ihr unangenehm und vor allem metallisch laut in den Nacken atmete.
Ein. Aus.
Pffft. Pffft.
Ein. Aus.
Pffft. Pffft.
Sie blieb erst wie gelähmt stehen und drehte sich dann in Zeitlupe vorsichtig um. Bis sie vor einem hochgewachsenen Mann, der ganz in schwarz gekleidet war, zum Stehen kam. Er trug einen schwarzen Umhang, einen schwarzen Helm und eine schwarze Gesichtsmaske aus Plastik.
»Gestatten, Vader«, hauchte er durch seine Maske. »Darth Vader.«
Jetzt musste Lilly lachen. Noch eine Star-Wars-Figur!
»Ich bin Prinzessin Leia«, antwortete sie. »Und ich verteidige das Universum gegen Gesindel wie Sie.« Angriffslustig hob sie ihr Lichtschwert.
Darth Vader lachte tief. »Ha. Ha. Ha. Möge die Macht mit Ihnen sein.« Er richtete sein Plastiklichtschwert auf Lilly. »Wollen wir sofort kämpfen, oder uns vorher mit einem abgehackten Finger und ein bisschen Blut stärken?«
Lilly musste wieder lachen. Dieser Darth Vader begann ihr zu gefallen. Wesentlich besser jedenfalls, als der bekloppte Han Solo alias Tim, der sie beim ersten Anblick einer anderen Frau in dieser Galaxie hier sofort hatte stehen lassen.
»Also, ich würde lieber einen Nachtisch essen«, sagte Lilly.
»Ach, Ihre Hoheit hatten schon die Hauptspeise?«
»Nein, nicht wirklich. Aber ich habe da so meine eigenen Nahrungsprioritäten.«
Vader guckte sie aus seinen Plastikaugen erwartungsvoll an. »Und die wären? Ich verstehe nicht ganz.«
Lilly räusperte sich. Normalerweise erzählte sie Wildfremden nicht von ihren durchaus ungewöhnlichen Essgewohnheiten, aber da heute ihre Vernunft ohnehin Sendepause hatte, war es ja eh schon egal.
»Ich fange immer mit dem Dessert an.«
»Wie bitte?«
»Genau wie ich es gesagt habe: Ich esse den Nachtisch immer zuerst.«
Vader beugte sich zu ihr vor, als gäbe es ein fürchterlich geheimes Geheimnis zu besprechen. »Wieso das denn?«
»Weil mir zwischen regulärer Vorspeise und Hauptgang zum Beispiel ein Backstein auf den Kopf fallen könnte. Oder, in unserem Fall hier, ein Meteorit. Und dann würde ich sterben, ohne etwas vom Nachtisch – meiner Lieblingsmahlzeit! – abbekommen zu haben.«
Jetzt musste
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