Fortunas Tochter
würden.
»Kein Grund zur Panik, soviel ich weiß, sterben nur wenige dran«, beruhigte er ihn.
Er gab ihm einige Oblaten aus Reispapier, die Chinin enthielten, aber Todd konnte sie vor lauter Übelkeit nicht schlucken. Er war in Indien gewesen und kannte die Symptome der Malaria und anderer Tropenkrankheiten, die mit Chinin behandelt wurden, aber diese Qualen ähnelten ihnen nicht einmal entfernt. Kaum war der Bader gegangen, kam wieder der Diener, um die blutigen Tücher fortzubringen und das Zimmer noch einmal aufzuwischen. Jeremy Sommers hatte die Adressen der Ärzte Page und Poett dagelassen, aber bevor Todd nach ihnen schicken konnte, erschien eine wohlbeleibte Matrone in dem Hotel und verlangte den Kranken zu besuchen. An der Hand hielt sie ein in blauen Samt gekleidetes kleines Mädchen, das weiße Stiefelchen und ein mit Blumen besticktes Hütchen trug und aussah wie ein Märchenwesen. Es waren Mama Fresia und Eliza, von Rose Sommers geschickt, die ein sehr geringes Vertrauen in die Aderlasserei hatte. Die beiden brachen so zielsicher in das Zimmer ein, daß der geschwächte Jacob Todd nicht zu protestieren wagte. Die erste kam in ihrer Eigenschaft als Heilerin und die Kleine als Übersetzerin.
»Meine Mamita sagt, sie wird Ihnen den Pyjama ausziehen. Ich gucke nicht hin«, erklärte das Kind und drehte sich zur Wand, während die India ihn mit zwei kräftigen Griffen auszog und sich daran machte, ihn von Kopf bis Fuß mit Branntwein abzureiben.
Sie packten heiße Ziegel in sein Bett, wickelten ihn in Decken und gaben ihm löffelweise einen mit Honig gesüßten bitteren Blätteraufguß ein, um die Schmerzen zu lindern.
»Jetzt wird meine Mamita die Krankheit besprechen«, sagte die Kleine.
»Was ist denn das?«
»Haben Sie keine Angst, es tut nicht weh.«
Mama Fresia schloß die Augen und begann, ihm mit den Händen über Oberkörper und Bauch zu streichen, wobei sie in der Mapuchesprache Beschwörungen murmelte. Jacob Todd fühlte, wie ihn eine unwiderstehliche bleierne Müdigkeit überkam, und noch bevor die India geendet hatte, schlief er tief und fest und merkte nicht mehr, wann seine beiden Krankenschwestern verschwanden. Er schlief achtzehn Stunden und erwachte in Schweiß gebadet. Am folgenden Morgen kehrten Mama Fresia und Eliza zurück, um ihm eine weitere kräftige Abreibung und eine große Tasse Hühnerbrühe angedeihen zu lassen.
»Meine Mamita sagt, Sie dürfen nie mehr Wasser trinken. Bloß schön heißen Tee, und essen Sie kein Obst, sonst möchten Sie wieder am liebsten sterben«, übersetzte das kleine Mädchen.
Ein paar Tage danach, als er aufstehen konnte und sich im Spiegel betrachtete, begriff er, daß er sich mit diesem Aussehen nicht vor Miss Rose zeigen konnte: er hatte mehrere Kilo verloren, war abgemagert und konnte keine zwei Schritte gehen, ohne keuchend auf den nächsten Stuhl zu fallen. Als er wieder imstande war, ihr ein Briefchen zu schreiben, um sich zu bedanken, daß sie ihm das Leben gerettet hatte, und Schokolade für Mama Fresia und Eliza mitschickte, erfuhr er, daß die junge Frau mit einer Freundin und ihrer Mucama nach Santiago aufgebrochen war, eine riskante Reise bei dem Klima und dem schlechten Zustand der Straßen. Miss Rose unternahm diese strapaziöse Fahrt über vierunddreißig spanische Meilen einmal jedes Jahr und immer zu Beginn des Herbstes oder mitten im Frühling, um ins Theater zu gehen, gute Musik zu hören und ihre jährlichen Einkäufe im Gran Almacén Japonés zu tätigen, dem großen japanischen Warenhaus, das nach Jasmin duftete und von Gaslampen mit rosafarbenen Glaskugeln erleuchtet wurde und in dem sie die hübschen Nichtigkeiten erstand, die in der vom Luxus nicht verwöhnten Provinzstadt nur schwer zu bekommen waren. Diesmal jedoch gab es einen guten Grund, im Winter zu fahren: sie würde für ein Porträt sitzen. Der berühmte französische Maler Monvoisin war nach Chile gekommen, eingeladen von der Regierung, um unter den Künstlern des Landes Schule zu machen. Der Meister malte lediglich den Kopf, der Rest war das Werk seiner Gehilfen, und die klebten sogar, um Zeit zu sparen, den Spitzenbesatz des Kleides unmittelbar auf die Leinwand, aber trotz solcher Schwindeleien gab einem nichts soviel Ansehen wie ein von ihm signiertes Porträt. Jeremy Sommers bestand darauf, eines von seiner Schwester malen zu lassen, das dann den Salon schmücken sollte. Das Gemälde kostete sechs Unzen Gold und noch eine mehr für jeden Helfer, aber in
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