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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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einem solchen Fall kam Sparen überhaupt nicht in Frage. Die Möglichkeit, ein authentisches Werk des großen Monvoisin zu besitzen, bot sich nicht zweimal im Leben, wie seine Kunden sagten.
    »Wenn die Kosten kein Problem sind, dann wünsche ich, daß er mich mit drei Händen malt. Das wird dann sein berühmtestes Bild und wird schließlich in einem Museum hängen statt über unserem Kamin«, erklärte Miss Rose.
    Es war das Jahr der großen Überschwemmungen, die in den Schulbüchern und in der Erinnerung der Alten aufgezeichnet blieben. Die Sintflut zerstörte Hunderte von Wohnstätten, und als das Unwetter endlich nachließ und die Wasser zu fallen begannen, setzte eine Reihe von kleineren Erdbeben ein, die sich anhörten wie Beilhiebe Gottes und verwüsteten, was die Regengüsse übriggelassen hatten. Üble Gestalten durchstöberten die Trümmer, Diebe nutzten die Verwirrung und raubten die Häuser aus, die Soldaten erhielten Befehl, jeden ohne Umstände zu erschießen, den sie bei solcherart Gewalttaten erwischten, aber einmal dabei, teilten sie Säbelhiebe nach links und rechts aus, ohne Rücksicht auf Verluste, und der Befehl mußte widerrufen werden, bevor sie auch die Unschuldigen umbrachten. Jacob Todd, der in seinem Hotel mit einer Erkältung festsaß und immer noch geschwächt war nach der kolikengeplagten Woche, horchte verzweifelt auf das unaufhörliche Getöse der Kirchenglocken, die zur Buße aufriefen, las uralte Zeitungen und suchte Gesellschaft zum Kartenspielen.
    Einmal ging er aus, um sich in einer Apotheke ein Stärkungsmittel für seinen Magen zu besorgen, aber der Laden erwies sich als chaotische Bruchbude, vollgestopft mit verstaubten blauen und grünen Flaschen, und der deutsche Handlungsgehilfe bot ihm Skorpionöl und Wurmspiritus an. Zum erstenmal beklagte er es, so weit von London entfernt zu sein.
    In den Nächten kam er kaum zum Schlafen wegen der Betrunkenen, die auf der Straße krakeelten und sich prügelten, aber auch wegen der Beerdigungen, die zwischen zwei und drei Uhr nachts stattfanden. Der neue Friedhof lag auf einem Hügel oberhalb der Stadt. Das Unwetter hatte die Erde aufgerissen, Gräber hatten sich geöffnet und die Gebeine freigegeben, die den Abhang heruntergerollt waren in wüstem Durcheinander, in dem alle Toten in der gleichen Würdelosigkeit vereint waren. Viele meinten, zehn Jahre früher wären die Verstorbenen besser untergebracht gewesen, als nämlich die wohlhabenden Leute in den Kirchen beigesetzt, die Armen in die Schluchten geworfen und die Ausländer am Strand verscharrt wurden. Dies ist ein wunderliches Land, schloß Todd, der sich ein Tuch vors Gesicht gebunden hatte, weil der Wind den ekelerregenden Gestank der Katastrophe herantrug, den die Stadtväter mit großen Feuern aus Eukalyptusholz bekämpften. Kaum fühlte er sich besser, wagte er sich hinaus, um sich die Prozessionen anzusehen. Was sonst ein frommes Ritual an den sieben Tagen der heiligen Woche und zu anderen religiösen Festen war, verwandelte sich nun in Massenaufzüge, die den Himmel anflehten, dem Unwetter ein Ende zu machen. In langen Reihen kamen die Gläubigen aus der Kirche, voran die schwarzgekleideten Männer der Laienbruderschaften, die auf Tragen die Statuen der Heiligen in ihren prächtigen, mit Gold und edlen Steinen bestickten Gewändern mit sich führten. Eine andere Kolonne trug einen gekreuzigten Christus, dessen Dornenkrone ihm um den Hals hing. Man hatte Todd erklärt, das sei der Christus von Mayo, der für diesen Anlaß eigens aus Santiago herbeigeholt worden sei, denn er sei die wundertätigste Heiligenstatue der Welt und als einzige fähig, dem Wetter zu gebieten. Vor zweihundert Jahren hatte ein schreckliches Erdbeben die Hauptstadt verheert, und die Kirche San Agustín lag in Trümmern, nur nicht der Altar, auf dem jener Christus stand. Die Dornenkrone war vom Kopf auf den Hals gerutscht, und dort blieb sie auch, denn jedesmal, wenn man versuchte, sie an ihren richtigen Platz zu schieben, begann sie wieder zu zittern. Die Prozessionen vereinten zahllose Mönche und Nonnen, vom vielen Fasten ausgezehrte fromme Frauen, aus voller Kehle betende und singende einfache Leute, reuige Sünder in groben Büßerhemden, Flagellanten, die sich mit ledernen, an den Enden mit scharfgeschliffenen Metallrosetten versehenen Geißeln den nackten Rücken peitschten.
    Einige fielen ohnmächtig zu Boden, und Frauen kümmerten sich um sie, wuschen ihnen das wunde Fleisch und gaben ihnen zu

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