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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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den Zweck verließ er sich auf seine gewandte Zunge. Um aber die Ladung Bibeln an potentielle chilenische Kunden loszuwerden, mußte er sein miserables Spanisch verbessern. Durch die zwei Monate, die er in Spanien verbracht hatte, und dank seinem guten Gehör lernte er es schneller und besser sprechen als mancher Brite, der schon vor zwanzig Jahren ins Land gekommen war. Seine recht liberalen politischen Vorstellungen hatte er anfangs für sich behalten, aber dann kam es so, daß er bei jedem gesellschaftlichen Treffen mit Fragen bestürmt wurde, und immer umgab ihn eine Gruppe staunender oder bestürzter Zuhörer. Seine demokratischen Reden, in denen er für Aufhebung der Sklaverei und Gleichheit der Menschen eintrat, erschütterten die Verschlafenheit dieser guten Leute, gaben Anlaß für endlose Diskussionen unter den Männern und entsetzte Ausrufe unter den reifen Damen, zogen aber die Jugend unwiderstehlich an. Allgemein galt er als ein bißchen verrückt, und seine aufrührerischen Ideen waren ja recht amüsant, aber seine spöttischen Witze über die königliche Familie wurden von den Mitgliedern der englischen Kolonie als höchst unschicklich angesehen, denn für sie war Königin Viktoria unantastbar wie Gott und das Empire.
    Seine bescheidenen, aber nicht zu verachtenden Einkünfte erlaubten ihm, in einer gewissen Wohlhabenheit zu leben, ohne je gearbeitet zu haben, und das stufte ihn in die Klasse der Gentlemen ein. Kaum hatte man entdeckt, daß er frei von zarten Banden war, fehlte es nicht an heiratsfähigen Mädchen, die sich große Mühe gaben, ihn einzufangen, aber seit er Rose Sommers kannte, hatte er kein Auge für andere weibliche Wesen. Er fragte sich wohl tausendmal, weshalb sie ledig blieb, und die einzige Antwort, die diesem agnostischen Verstandesmenschen einfiel, war, daß der Himmel sie ihm bestimmt habe.
    »Wie lange werden Sie mich noch quälen, Miss Rose? Befürchten Sie nicht, daß ich es satt bekommen könnte, Ihnen hinterherzulaufen?«
    »Sie werden es nicht satt bekommen, Mr. Todd. Der Katze hinterherzulaufen ist viel vergnüglicher, als sie zu fangen«, entgegnete sie.
    Die Redegewandtheit des falschen Missionars war etwas ganz Neues in jenem Milieu, und da sie annahmen, daß er die Heilige Schrift gewissenhaft studiert hatte, trugen sie ihm an, darüber zu predigen. In Valparaíso gab es eine kleine anglikanische Kirche, von der katholischen Obrigkeit schief angesehen, aber die protestantische Gemeinde traf sich auch in Privathäusern. »Wo hat man je eine Kirche ohne Jungfrauen und Teufel gesehen? Die Gringos sind alle Ketzer, sie glauben nicht an den Papst, können nicht beten, singen bloß und empfangen nicht mal die heilige Kommunion«, murrte Mama Fresia, als das Haus der Sommers für den Gottesdienst an der Reihe war. Todd bereitete sich darauf vor, er wollte aus der Bibel den Auszug der Kinder Israel aus Ägypten vorlesen und dann auf die Situation der Einwanderer eingehen, die sich wie die biblischen Juden in fremdem Land anpassen mußten, aber Jeremy Sommers stellte ihn den Versammelten als Missionar vor und bat ihn, über die Indios auf Feuerland zu sprechen. Jacob Todd wußte nicht einmal, wo genau er die Gegend auf der Karte finden sollte, noch, woher sie diesen bildhaften Namen hatte, aber er vermochte die Zuhörer zu Tränen zu rühren mit der Geschichte von drei Wilden, die ein englischer Kapitän eingefangen hatte, um sie nach England zu entführen. In weniger als drei Jahren, erzählte er, waren diese unglücklichen Geschöpfe, die nackt in eisiger Kälte gelebt und dem Kannibalismus gefrönt hatten, nunmehr anständig gekleidet, hatten sich zu guten Christen gewandelt und zivilisierte Sitten angenommen, ja, sie vertrugen sogar das englische Essen. Was er nicht erzählte, war, daß sie, kaum in ihre Heimat zurückbefördert, augenblicklich wieder in ihre alten Bräuche fielen, als wären sie niemals mit England oder dem Worte Jesu in Berührung gekommen. Auf Jeremy Sommers’ Anregung wurde auf der Stelle eine Kollekte für die Verbreitung des Glaubens durchgeführt, mit so gutem Ergebnis, daß Jacob Todd gleich am nächsten Tag auf der Zweigstelle der Bank von London in Valparaíso ein Konto eröffnen konnte. Das Konto wurde von den wöchentlichen Beiträgen der Protestanten genährt und wuchs trotz der häufigen Abhebungen, die Todd tätigte, um seine eigenen Ausgaben zu decken, wenn seine Einkünfte dafür nicht ausreichten. Je mehr Geld einkam, um so mehr nahmen

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