Fortunas Tochter
Berge, durchquerten Flüsse und die dürrste Wüste der Welt, um die Stadt Santiago zu gründen.« Unter den Seinen war er die Verkörperung von Autorität und Ehrbarkeit, aber außerhalb seiner Klasse kannte man ihn als Teufelskerl. Man sagte ihm ein ganzes Rudel Bastarde nach, aber auch den üblen Ruf, in seinen legendären Wutanfällen mehr als einen seiner Pächter erschlagen zu haben, doch diese Toten wie so viele andere Sünden wurden nie näher untersucht. Seine Frau war in den Vierzigern, aber sie wirkte wie eine zittrige, verzagte Greisin, ging immer trauerschwarz gekleidet wegen ihrer frühzeitig verstorbenen Kinder und schien zu ersticken unter dem Gewicht des Korsetts, der Religion und dieses Ehemannes, den das Schicksal ihr beschert hatte. Die Söhne verbrachten ihr müßiges Dasein zwischen Messen, Spazierfahrten, Siestas, Spielen und Festivitäten, während die Töchter wie geheimnisvolle Nymphen durch Zimmer und Gärten schwebten, mit raschelnden Unterröcken und immer unter dem wachsamen Auge ihrer Anstandsdamen. Sie wurden von Kindheit an auf ein Leben in Tugend, Glauben und Entsagung vorbereitet, ihr Los war eine standesgemäße Ehe und Mutterschaft.
Während ihres Aufenthalts auf dem Lande besuchten sie eine Corrida, die auch nicht entfernt dem glanzvollen Schauspiel von Kühnheit und Tod glich, wie es Todd in Spanien gesehen hatte; keine prunkvollen Trachten, keine hochfahrenden Ritter der Leidenschaft und des Ruhms, sondern eine Prügelszene von betrunkenen Rüpeln, die den Stier mit Spießen quälten und verhöhnten und sich unter Flüchen und Gelächter auf dem Boden wälzten, wenn er sie mit seinen stumpfgeschliffenen Hörnern umgeworfen hatte. Das Gefährlichste an dieser Corrida bestand darin, das wütende, mißhandelte, aber am Leben gelassene Tier aus der Arena zu befördern. Todd war froh, daß sie dem Stier die letzte Erniedrigung einer öffentlichen Exekution ersparten, denn sein braves englisches Herz hätte lieber den Torero als das Tier tot gesehen. An den Nachmittagen spielten die Männer ihre Kartenspiele, Tresillo und Rocambor, wobei ihnen wie Fürsten von einem wahren Heer dunkelhäutiger, unterwürfiger Diener aufgewartet wurde, die den Blick nicht vom Boden hoben und deren Stimmen nicht über ein Murmeln hinausgingen. Sie waren keine Sklaven und schienen es doch zu sein. Sie arbeiteten im Tausch gegen ein Dach über dem Kopf und einen Anteil an der Aussaat; theoretisch waren sie frei, aber sie blieben bei ihrem Patrón, so despotisch er auch sein mochte und wie hart die Bedingungen auch waren, weil sie sonst nichts hatten, wohin sie hätten gehen können. Die Sklaverei war vor mehr als zehn Jahren ohne viel Aufhebens abgeschafft worden. Der Handel mit Afrikanern war in diesen Breiten nie einträglich gewesen, wo es keine großen Plantagen gab, aber niemand erwähnte das Schicksal der Indios, die ihres Landes beraubt und ins Elend gestürzt wurden, noch das der Pächter, die sich verkauften und mit den Landgütern weitervererbt wurden wie das Vieh. Und niemand sprach auch über die Schiffsladungen chinesischer und polynesischer Sklaven, die für die Verarbeitung der Guanovorkommen auf den Chinchasinseln bestimmt waren. Solange sie nicht das Festland betraten, gab es keine Schwierigkeiten: das Gesetz verbot die Sklaverei, gewiß, aber vom Meer sagte es nichts.
Während die Männer Karten spielten, langweilte Miss Rose sich diskret in der Gesellschaft der Señora del Valle und ihrer zahlreichen Töchter. Eliza dagegen galoppierte querfeldein mit Paulina, der einzigen Tochter Agustín del Valles, die dem flügellahmen Muster der Frauen dieser Familie frühzeitig entwischt war. Sie war einige Jahre älter als Eliza, aber in diesen Tagen tobte sie mit ihr, als wären sie gleichaltrig; das Haar im Wind flatternd, die Gesichter der Sonne zugewandt, spornten sie ihre Reittiere.
Señoritas
Eliza Sommers war ein mageres kleines Mädchen mit einem Gesicht so fein wie eine Federzeichnung. 1845, als sie dreizehn wurde und Brüste und Taille sich andeuteten, war sie zwar immer noch eine Göre, aber in ihren Bewegungen lag schon jetzt jene Anmut, die ihr oberstes Schönheitsmerkmal bleiben sollte. Miss Roses unerbittliche Fürsorge verschaffte ihrem Rückgrat die Geradheit einer Lanze: ein am Rücken befestigter Eisenstab hielt sie aufrecht während der endlosen Stunden, in denen sie zum Üben am Klavier oder an einer Stickerei saß. Sie wuchs nur langsam und behielt das täuschende
Weitere Kostenlose Bücher