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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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die Hindernisse und Vorwände zu, die Evangelisierungsmission aufzuschieben. So vergingen zwei Jahre.
    Jacob Todd fühlte sich inzwischen so wohl in Valparaíso, als wäre er hier geboren. Chilenen und Engländer hatten verschiedene Charakterzüge gemeinsam: sie entschieden alles über Bevollmächtigte und Anwälte; sie hegten eine absurde Verbundenheit mit der Tradition, mit vaterländischen Symbolen und eingefahrenen Gebräuchen; sie brüsteten sich, Individualisten zu sein und Feinde jeder Zurschaustellung, die sie als Zeichen sozialen Parvenütums verachteten; sie traten liebenswürdig und beherrscht auf, aber sie waren großer Grausamkeit fähig. Doch im Gegensatz zu den Engländern empfanden die Chilenen Abscheu vor allem Exzentrischen und fürchteten nichts mehr, als sich lächerlich zu machen.
    Wenn ich ein korrektes Spanisch spräche, dachte Jacob Todd, wäre ich hier wie zu Hause. Er hatte sich in der Pension einer englischen Witwe häuslich eingerichtet, die Katzen liebte und die berühmtesten Torten der Hafenstadt zu backen verstand. Er schlief mit vier Katzen in seinem Bett, einer besseren Gesellschaft, als er sie je vorher genossen hatte, und aß täglich zum Frühstück die verführerischen Torten seiner Wirtin. Er schloß Bekanntschaft mit Chilenen aller Klassen, von den armen, die er auf seinen Spaziergängen durch die Elendsviertel des Hafens kennenlernte, bis zu den vornehmsten. Jeremy Sommers führte ihn in den Club de la Unión ein, wo er als eingeladenes Mitglied akzeptiert wurde. Nur Ausländer von anerkannter gesellschaftlicher Bedeutung konnten sich solchen Vorzugs rühmen, denn der Club war eine Enklave von Grundbesitzern und konservativen Politikern, wo der Wert der Mitglieder am klangvollen Namen gemessen wurde. Ihm öffneten sich die Türen dank seiner Geschicklichkeit mit Karten und Würfeln; er verlor mit so viel Grazie, daß nur wenige merkten, wieviel er gewann. Hier freundete er sich mit Agustín del Valle an, dem Herrn über große Ländereien im Umland und über Schafherden tief im Süden, wohin er noch nie den Fuß gesetzt hatte, dafür hatte er seine eigens aus Schottland geholten Aufseher. Diese neue Freundschaft gab ihm Gelegenheit, die strengen Häuser chilenischer Aristokraten kennenzulernen, quadratische, dunkle Gebäude mit großen, fast leeren Zimmern, die ohne jede Finesse mit schweren Möbeln, trüb brennenden Kandelabern und blutigen Kruzifixen ausgestattet waren und mit einer ganzen Korona gipserner Jungfrauen und wie spanische Edelleute vergangener Zeiten gekleideter Heiliger. Es waren nach innen gekehrte Häuser, mit hohen eisernen Gittern gegen die Straße abgeschlossen, unbequem und ungefüge, aber sie hatten kühle Galerien und Patios voller Jasminsträucher, Orangenbäume und Rosenbüsche.
    Als der Frühling sich zeigte, lud Agustín del Valle die Sommers und Jacob Todd auf eines seiner Landgüter ein. Der Weg war eine Plage; ein Reiter hätte ihn zu Pferde in vier, fünf Stunden geschafft, aber die Karawane, als welche die Familie mit ihren Gästen reiste, brach im Morgengrauen auf und erreichte erst am späten Abend ihr Ziel. Die del Valles zogen mit Ochsenkarren um, die mit Tischen und plüschbezogenen Diwanen beladen waren.
    Darauf folgte ein Zug Maultiere mit dem Gepäck und Knechte zu Pferde, mit primitiven Flinten bewaffnet zur Verteidigung gegen Räuber, die in den Bergen hinter den Wegbiegungen zu lauern pflegten. Zu der entnervenden Langsamkeit der Tiere kamen die Unebenheiten des Weges, in denen die Karren steckenblieben, und die häufigen Rastpausen, in denen die Diener in ganzen Wolken von Fliegen die Speisen aus den Körben servierten. Todd verstand nichts von Landwirtschaft, aber ein Blick genügte, um zu begreifen, daß auf dieser fruchtbaren Erde alles im Überfluß gedieh; die Früchte fielen von den Bäumen und verfaulten auf dem Boden, weil niemand sich die Mühe machte, sie aufzuheben. Auf der Hazienda fand er den gleichen Lebensstil, den er Jahre zuvor in Spanien beobachtet hatte: eine vielköpfige Familie, durch verwickelte Blutsbande und einen unerbittlichen Ehrenkodex vereint. Sein Gastgeber war ein mächtiger feudaler Patriarch, der die Geschicke seiner Sippe mit eiserner Hand lenkte und sich arrogant einer Ahnenreihe rühmte, die sich bis auf die ersten spanischen Eroberer zurückverfolgen ließ. »Meine Ururgroßväter«, erzählte er, »legten in schwere eiserne Rüstungen gezwängt mehr als tausend Kilometer zurück, überstiegen

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