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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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bewunderten die Methoden der östlichen Medizin. Sie öffneten dem zhong yi die Türen ihrer kleinen Hospitäler. Tao Chi’ens und Ebanizer Hobbs’ Begeisterung für das Studium und das Experimentieren führte unvermeidbar zu gegenseitiger Zuneigung. Sie trafen sich nahezu heimlich, denn wäre ihre Freundschaft bekannt geworden, hätte das ihren Ruf gefährdet. Weder die europäischen noch die chinesischen Patienten akzeptierten, daß die andere Rasse sie etwas lehren könnte.
    Das Verlangen, eine Frau zu kaufen, beschäftigte Tao Chi’ens Träume wieder stärker, nachdem sich seine Finanzen gerade halbwegs geordnet hatten. Als er zweiundzwanzig wurde, zählte er wieder einmal wie so oft seine Ersparnisse und stellte entzückt fest, daß sie ausreichten für eine Frau mit kleinen Füßen und sanftem Charakter. Da er keine Eltern hatte, die ihm bei der Suche hätten helfen können, wie es der Brauch verlangte, mußte er sich an einen Heiratsvermittler wenden.
    Ihm wurden Bilder von verschiedenen Kandidatinnen gezeigt, aber für ihn sahen sie alle gleich aus; es war ihm unmöglich, nach diesen bescheidenen Tuschezeichnungen das Aussehen eines Mädchens zu erkennen oder gar ihre Persönlichkeit. Ihm war nicht gestattet, die vorläufig Erwählte mit eigenen Augen zu sehen oder ihre Stimme zu hören, wie er gewünscht hätte, und es gab auch kein weibliches Mitglied seiner Familie, das es für ihn hätte tun können. Allerdings durfte er ihre unter einem Vorhang hervorschauenden Füße sehen, aber man hatte ihm erzählt, daß nicht einmal das sicher war, denn die Heiratsvermittler betrogen gern und zeigten die goldenen Lilien einer heimlich untergeschobenen Frau. Er mußte dem Schicksal vertrauen. Er war drauf und dran, die Entscheidung den Würfeln zu überlassen, aber die Tätowierung auf seiner rechten Hand erinnerte ihn an sein Pech bei Glücksspielen, und er zog es vor, die Aufgabe den Geistern seiner Mutter und seines alten Akupunkturmeisters zu überlassen. Nachdem er in fünf Tempeln Opfergaben gespendet hatte, warf er das Los mit den I Ging -Stäbchen, und daraus las er, daß der Augenblick günstig war und die dritte von unten rechts die richtige war, und so wählte er die Braut. Die Methode versagte nicht. Als er das rotseidene Tuch vom Haupt seiner nagelneuen Ehefrau hob - nachdem er die geringstmöglichen Zeremonien vollzogen hatte, denn für eine glanzvollere Heirat hatte er kein Geld -, sah er vor sich ein wohlgeformtes Gesicht, dessen Augenpaar hartnäckig zu Boden gerichtet war. Er wiederholte dreimal ihren Namen, bis sie sich endlich getraute, ihn anzublicken, zitternd vor Furcht und die Augen voller Tränen.
    »Ich werde gut zu dir sein«, versprach er, genauso gerührt wie sie.
    Von dem Augenblick an, als er jenes rote Tuch gehoben hatte, betete Tao die junge Frau an, die ihm das Schicksal zugedacht hatte. Diese Liebe überraschte ihn völlig: er hatte nicht einmal geahnt, daß es solche Gefühle zwischen einem Mann und einer Frau geben könnte. Niemals hatte er über diese Form der Liebe reden gehört, er hatte nur vage Andeutungen in der klassischen Literatur gelesen, wo die Jungfrauen wie die Landschaften oder der Mond Pflichtthemen der poetischen Inspiration waren. Er hatte geglaubt, Frauen seien nur zur Arbeit und zur Fort– pflanzung bestimmte Wesen wie die Bäuerinnen, unter denen er aufgewachsen war, oder teure Dekorations– gegenstände. Lin entsprach keiner dieser beiden Klassen, sie war für ihn eine geheimnisvolle, komplizierte Persön– lichkeit, die fähig war, ihn mit ihrer Ironie zu entwaffnen und mit ihren Fragen anzustacheln. Sie brachte ihn wie niemand sonst zum Lachen, erfand unmögliche Geschich– ten, forderte ihn mit Wortspielen heraus. In Lins Gegen– wart schien alles in unwiderstehlichem Glanz zu erstrah– len. Die wunderbare Entdeckung der Liebesvereinigung mit einem anderen Menschen war die tiefgreifendste Erfahrung seines Lebens. Mit Prostituierten hatte er schnelle Aufhupfer gehabt, aber ihm hatte es immer an Zeit und an Liebe gefehlt, um eine gründlich kennenzu– lernen. Wenn er morgens aufwachte und Lin neben sich schlafen sah, lachte er vor Glück, und einen Augenblick später zitterte er vor Angst. Und wenn sie eines Morgens nicht wieder aufwachte? Der süße Geruch ihres Schweißes in den Liebesnächten, die feine Zeichnung ihrer wie in ständiger Verwunderung gehobenen Augenbrauen, die unglaubliche Schlankheit ihrer Taille, ihre ganze Person erfüllte ihn

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