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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Licht, das sie in sein Leben gebracht hatte. Ich bin glücklich, ich bin glücklich, wiederholte er immer wieder, um die unheilvollen Vorahnungen beiseite zu schieben, die ihn überfielen, sowie er nicht auf sich achtgab. Aber er war nicht glücklich. Er lachte nicht mehr mit der gleichen Leichtherzigkeit wie früher, und wenn er mit ihr zusammen war, hatte er kaum Freude daran außer in einigen flüchtigen Augenblicken fleischlicher Lust, denn er beobachtete sie ständig besorgt, ihrer Zerbrech– lichkeit bewußt, den Rhythmus ihres Atems messend. Es kam so weit, daß er die goldenen Lilien haßte, die er am Anfang ihrer Ehe so inbrünstig geküßt hatte, vom Rausch des Verlangens hingerissen. Ebanizer Hobbs stimmte dafür, daß Lin lange Spaziergänge in der frischen Luft machen sollte, um die Lungen zu festigen und den Appetit zu wecken, aber sie konnte kaum zehn Schritte gehen, dann verließen sie die Kräfte. Tao konnte nicht die ganze Zeit bei seiner Frau bleiben, wie Hobbs ihm geraten hatte, weil er für sie beide sorgen mußte. Jeder Augenblick, den er fern von ihr verbrachte, erschien ihm als treulos vergeudetes Leben, der Liebe geraubte Zeit. Sein ganzes Wissen über Heilmittel und die in vielen Jahren gewonnenen medizinischen Kenntnisse stellte er in den Dienst an seiner Geliebten, aber ein Jahr nach der Niederkunft war Lin nur noch der Schatten des fröhlichen Mädchens von einst. Er versuchte sie zum Lachen zu bringen, aber ihrer beider Lachen klang falsch.
    Eines Tages konnte Lin nicht mehr aufstehen. Sie drohte zu ersticken, sie spuckte Blut und rang um Luft, während ihre Kräfte schwanden. Sie weigerte sich zu essen und nahm nur ein paar Löffel magere Brühe zu sich, weil die Anstrengung sie erschöpfte. Sie schlief unruhig, wenn der Husten für kurze Zeit Frieden gab, und fuhr dann gequält wieder hoch. Tao Chi’en rechnete nach, daß sie seit sechs Wochen mit einem gurgelnden Schnarchton atmete, als läge sie unter Wasser. Wenn er sie auf den Armen hochhob, merkte er, daß sie immer leichter wurde, und sein Herz krampfte sich zusammen vor Entsetzen. Er sah, wie sehr sie litt und daß der Tod als Erleichterung zu ihr kommen würde, aber an dem unseligen Morgen, als er mit Lins eiskaltem Leichnam im Arm erwachte, glaubte auch er zu sterben. Ein langer, schrecklicher Schrei, aus den tiefsten Tiefen aufsteigend wie die Klage eines Vulkans, erschütterte das Haus.
    Die Nachbarn kamen gelaufen, brachen die Tür auf und fanden ihn nackt und heulend mitten im Zimmer stehen, seine Frau in den Armen. Sie mußten ihn mit Gewalt von dem Leichnam lösen und festhalten, bis Ebanizer Hobbs kam und ihm ein kräftiges Quantum Laudanum aufzwang.
    Tao Chi’en versank in grenzenloser Verzweiflung. Aus einem Bild von Lin und einigen Dingen, die ihr gehört hatten, machte er einen Altar und verbrachte ganze Stunden davor in untröstlicher Traurigkeit. Er hörte auf, nach seinen Patienten zu sehen, und ging auch nicht mehr in das zum Labor erweiterte Arbeitszimmer seines Freundes Ebanizer Hobbs. Ihn stießen die Ratschläge des Engländers ab, der behauptete, man müsse den Teufel mit Beelzebub austreiben, und das beste, um sich vom Schmerz zu erholen, sei, die Bordelle im Hafen zu besuchen, da könne er so viele Frauen haben, wie er wolle, und alle mit goldenen Lilien, wie er die verkrüppelten Füße nenne. Wie konnte er ihm eine solche Verirrung vorschlagen? Es gab auf der Welt keine Frau, die Lin ersetzen könnte, niemals würde er eine andere lieben, dessen war er sicher. Von Hobbs nahm er in dieser Zeit nur die großzügig gespendeten Flaschen Whisky an. Wochenlang betäubte er sich mit Alkohol, bis ihm das Geld ausging und er nach und nach das eine oder andere verkaufen oder versetzen mußte, und eines Tages konnte er die Miete nicht mehr bezahlen und mußte in eine ziemlich miserable Absteige umziehen.
    Da erinnerte er sich endlich, daß er ein zhong yi war, und fing wieder an zu arbeiten, freilich in recht übler Verfassung - unrasiert, in schmutziger Wäsche, mit verfilztem Zopf. Da er einen guten Ruf hatte, duldeten die Patienten seinen abstoßenden Anblick und seine im Alkoholrausch begangenen Fehler mit der Resignation der Armen, hörten aber doch bald auf, ihn zu konsultieren.
    Auch Ebanizer Hobbs rief ihn nicht mehr zur Behandlung schwieriger Fälle, weil er seiner Urteils– fähigkeit nicht länger traute. Bisher hatten beide sich erfolgreich ergänzt: der Engländer konnte zum erstenmal gewagte

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